Bericht Elbtunnel-Marathon 28.1.2007

Kachelnzählen mal ganz anders? - Der Elbtunnelmarathon

von Gunnar Galuschki

Es ist ein paar Jahre her, da gab es im Fernsehen einen Beitrag über den Extremsportler Stefan Schlett. Der Beitrag war ein Zusammenschnitt aus mehreren ziemlich abartigen Läufen, die er zu dieser Zeit absolviert hat. Darunter waren ein Grachtenlauf bei ca. 0°C, ein Sauf-und-Fress-Lauf (alle paar km einen halben Liter Bier und eine Bockwurst) und der Elbtunnelmarathon. Die Bilder vom Elbtunnelmarathon fand ich damals besonders eindrucksvoll. Ich kann gar nicht genau sagen, worin die Faszination lag. Damals dachte ich, wenn Du mal alt bist, dann läufst Du den auch mal.

Seitdem sind ein paar Jahre vergangen und 2007 wird aus familiären Gründen ein Laufjahr, für mehr ist keine Zeit. Bei der Suche nach interessanten Läufen fiel mir dann ausgerechnet jener Elbtunnelmarathon ins Auge. Eigentlich war es sofort klar, dass das mein Saisonauftakt werden würde. Dennoch konnte ich mich nicht so recht durchringen. Ich sage nur: "Wenn Du mal alt bist..."!

Gegen Ende November stiegen dann die Meldezahlen deutlich an, das Teilnehmerlimit liegt bei 280 Läufern. Pro Tag kamen ca. 20 Meldungen hinzu, so dass eine baldige Entscheidung fällig wurde. Also Augen zu und angemeldet. Und erst dann habe ich angefangen, mir genauer Gedanken über diese etwas skurrile Laufstrecke zu machen. Der Blick ins Internet bestätigte die Verrücktheit. Der alte Elbtunnel verbindet St. Pauli mit der gegenüberliegenden Uferseite und wurde 1911 fertiggestellt. Gedacht war er für die Werftarbeiter, um diesen einen ca. 20 km langen Umweg zu ersparen. Autos gab es damals nur sehr wenige, die Dimensionen des Tunnels sind auf die Spurbreite einer Pferdedroschke ausgelegt. Die Fahrbahn ist ca. 1,95 m breit, die beiden Bürgersteige rechts und links jeweils ca. 1,20 m. Pro Richtung gibt es eine Tunnelröhre, jeweils knapp 435 m lang. Der Tunnel liegt gut 23 m unter der Erde, der Höhenunterschied wird mit Aufzügen überwunden, also keine nennenswerten Steigungen oder Gefälle auf der Strecke. Soweit so gut, die Höhenmeter werden nicht das Problem sein. Viel mehr Respekt hatte ich vor der Monotonie von 48,6 zu laufenden Runden. Um kurz nach 9 Uhr war ich vor Ort, um11 Uhr war Start. Die Außentemperaturen lagen bei nasskalten +2°C, im Tunnel nur minimal höher, dafür aber wettergeschützt. Also welche Klamotten anziehen? Ich hatte so ziemlich jede Länge dabei, entschied mich für die zweitdünnste. Ganz kurz wäre besser gewesen, aber das habe ich zu spät gemerkt. Andererseits gehörte ich mit meiner Kleiderwahl schon zu den Mutigen...

Um 11 Uhr versammelten sich alle hinter der Startlinie, doch der Startschuss ließ noch weitere 10 Minuten auf sich warten. Interessant war, dass es nur wenige Freiwillige gab, die sich nach vorn stellen wollten. Bei einem Marathon habe ich das noch nie erlebt. Muss am relativ hohen Altersdurchschnitt liegen. Dann der Startschuss und los ging's. Nach etwas mehr als einer halben Runde die erste Zielmattenüberquerung, ein Blick auf die Uhr, alles ok. Um nicht komplett zu verblöden, hatte ich mir vorgenommen, im weiteren Verlauf nur jede vierte Runde die Zwischenzeit zu nehmen. Die ersten zwei Runden war alles total super, doch dann begann das eigentliche Problem: Überholmanöver. Für den Lauf freigegeben waren nur die Fahrbahn und der innere Bügersteig, also knapp mehr als 3 m Breite. Laufen zwei Läufer nebeneinander, muss man hoch auf den Bürgersteig. Da der nur zum Überholen gedacht ist, muss man da aber auch wieder runter, außer man gehört zur Spitze, die sowieso nichts anderes macht als Überholen. Ab der dritten Runde war also Überholen angesagt, hoch, runter, rechts, links, antreten, abbremsen. Außerdem natürlich an beiden Enden die 180°-Kurven, von denen die eine ziemlich scharf war, fast wie bei einer Wendepunktstrecke. Die zweite Kurve war zwar etwas harmloser, dafür war genau dahinter der Verpflegungsstand aufgebaut, was zu einem mittleren Chaos geführt hat.

Nach nicht einmal 20 von 49 Runden merkte ich, dass ich mich von meiner Wunschzeit verabschieden konnte. Die Beine waren irgendwie leer, der Kopf wollte auch nicht so recht. Wäre das bei einem Berliner Lauf gewesen, wäre ich evtl. ausgestiegen. Aber wenn man schon extra nach Hamburg fährt, dann geht das nicht. Dazu ist der Spaß zu teuer. Also Tempo rausnehmen, meine Gruppe laufenlassen, keine aggresiven Überholmanöver mehr und regelmäßig den Verpflegungsstand anlaufen. Nach ein paar Runden war klar, dass mehr nicht mehr geht, deswegen also konstant weiter. Die zweite Hälfte des Rennens war dann kein wirkliches Problem mehr. Als nach der 49. Runde dann die 3:25 Std. auf der Uhr stand, wusste ich nicht so recht, ob das wirklich meinem derzeitigen Leistungsstand entspricht. Wahrscheinlich nicht, aber eigentlich spielt es ja auch keine Rolle. Nur die Sache mit dem Kachelnzählen ist zu kurz gekommen, ich war beim Lauf einfach zu beschäftigt.

Wer wirklich mal einen etwas anderen Marathon laufen will, für den ist der Elbtunnelmarathon sicherlich eine gute Wahl. Wer aber eine gute Zeit hinlegen möchte, der sollte sich woanders anmelden.

Platz AK Startnr JG   Name       Vorname  Verein            Zeit
==================================================================
 1     1   25   1965  Muggianu   Maurizio  (ITA)           2:51:02
 2     2  139   1963  Röhrs      Michael  TVSchneverdingen 2:54:22
 3     1   26   1978  Haßlinger  Johannes VC Nienburg      2:56:17
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38     6  199   1974  Galuschki  Gunnar   Sisu Berlin      3:25:27
						
							
 1     1   53   1971  Schulz     Britta   VFL Suderburg    3:20:14
 2     1   67   1954  Belau      Monika   Hamburger SC     3:29:03
 3     1  290   1960  Gossman    Melissa                   3:42:23

							
Starter: 274						
Finisher: 229						


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