Swiss Alpine Marathon Davos 28.7.2007

von Gunnar Galuschki


Strecke: Swiss Alpine Marathon K78 (78,5 km, 2.320 Höhenmeter); offizielle Website

Entscheidung

Mitte 2006 entschied ich mich nach einer längeren Zeit ohne sinnvolles Training und diversen Wehwehchen, dass in 2007 mal wieder sportlich was geleistet werden muss. Aber was? Für das notwendige Training für einen Ironman hatte ich keine Zeit, das war klar. Marathon: keine Herausforderung, wenn nicht auf Bestzeit gelaufen. Und nach Bestzeiten stand mir nicht der Sinn. Aber Laufen sollte es schon sein. Beim Durchstöbern der Läufe, die mir in der Vergangenheit so aufgefallen waren, fielen mir eigentlich nur drei ein: Rennsteiglauf, 100 km Biel oder Davos K78. Der Rennsteiglauf reizte mich nicht, die Entscheidung musste zwischen Biel und Davos fallen. Biel als der Klassiker unter den 100 km-Läufen ist ein Nachtrennen und dadurch mental wohl sehr anspruchsvoll. Davos mit seinen Höhenmetern und der Höhenlage wirklich eindrucksvoll und nicht abschätzbar, was das überhaupt bedeutet. Den Ausschlag gaben zwei Faktoren: Die zeitliche Lage und die Erfahrungsberichte im Internet von Läufern, die beide Rennen schon gemacht haben. Ein klares 2:0 für Davos. Ende Juli passte perfekt in meine Urlaubsplanung. Und aus den Laufberichten konnte man Begeisterung und Erschöpfung deutlich herauslesen.

Vorbereitung

Mit der Entscheidung für den K78 in Davos stand ich aber vor einem Problem: Wie bereitet man sich auf so einen Lauf vor? Das längste, was ich bislang gelaufen war, waren gut 44 km in nahezu ebenem Gelände, Berlin halt.

Von meinen bisherigen Marathonerfahrungen kannte ich nur das erlösende Gefühl, nach gut 42 km endlich mit dem Laufen aufhören zu dürfen. Das bedeutet aber mal gerade Halbzeit…

In der heutigen Zeit der Informationsflut dank Internet war ich guter Dinge, hier ein bisschen Unterstützung zu finden. Doch das erwies sich als trügerisch, denn außer Erlebnisberichten war da nicht viel zu holen. Was ich suchte, waren Trainingspläne, an denen ich mich orientieren konnte. Erst in den englischen Beiträgen wurde ich dann fündig, die Amis sind da mitteilungsfreudiger als die Deutschen. Mit zwei verschiedenen Trainingsplänen und einer allgemeinen "Anleitung" vom Marathon zum Ultramarathon bewaffnet, machte ich mich daran, die kommenden 13 Monate zu strukturieren. Mut machte mir ein recht gut geschriebener Beitrag, der meinte, dass man innerhalb von wenigen Wochen vom Marathon zum Ultramarathon kommt. Deshalb plante ich in klassischen 4-Wochen-Blöcken das Jahr und legte mit dem Elbtunnelmarathon und dem Oberelbemarathon zwei Zwischensteps. Keiner der geplanten Läufe war auf Bestzeit ausgelegt, denn in Davos wollte ich "nur" durchkommen. Das Training für die beiden Marathons waren normale Marathontrainingspläne, Einheiten jenseits der 25 km waren die Ausnahme. Nach dem Oberelbemarathon änderte sich der Trainingsaufbau dann aber komplett. Nach einer Erholungswoche kamen 3x4 Wochen mit steigenden Umfängen (zwischen 90 und 110 km pro Woche). Tempotraining spielte fast gar keine Rolle mehr, dafür gab es zwei Ruhetage pro Woche. Dienstags, mittwochs und donnerstags standen mittellange Einheiten auf dem Plan, samstags und sonntags die langen (an manchen Wochenenden 30+35 km). Ob das allerdings ausreicht, um 78,5 km gut zu überstehen, wusste ich bis zuletzt nicht. Dennoch habe ich recht gewissenhaft die Kilometer abgespult. Mehr als 35 km wollte ich nicht, der eine Trainingsplan hat für die Wochenendläufe 5 bis 6 Stunden vorgegeben, man kann sich leicht ausrechnen, was da für Distanzen bei herauskommen. Das Risiko, das nicht so z umachen, bin ich bewusst eingegangen. Die beiden verbleibenden Unbekannten in meiner Gleichung waren das Streckenprofil und die Höhenlage. Ersteres kann man in unseren Gefilden nicht trainieren, nicht einmal, wenn man im Fitnessstudio das Laufband auf maximale Steigung stellen würde und dann drei Stunden stupide alles voll schwitzt. Solch einen Quatsch habe ich gar nicht erst versucht und auf mein Glück vertraut, dass es schon irgendwie gehen wird. Gehen ist hier aber auch das entscheidende Stichwort, denn den K78 in Davos kann man nicht komplett durchlaufen, wenn man nicht zu den Top-Ten gehört. Alle anderen müssen an den krassen Steigungen sowieso gehen. Zur Not muss man halt häufiger gehen…

Als letztes Problem die Höhenlage: Davos liegt auf 1.500 m üNN. Bis km 30 geht es auf 1.000 m üNN runter, bevor es dann innerhalb von 23 km bis auf über 2.600 m üNN ansteigt. In dieser Höhe läuft man dann gut 7 km, bevor es dann wieder nach Davos zurückgeht, also -1.100 Höhenmeter auf 18 km. Was aber passiert wohl, wenn man da oben in der dünnen Luft läuft und eigentlich schon total fertig ist? Das Gefühl, wie sich diese Höhenlage "anfühlt", habe ich im Juni mal testen dürfen. Im Klinikum Buch gibt es einen Hypoxie-Raum mit Laufbändern. Dort vermindern sie den Sauerstoffgehalt durch Erhöhung der Stickstoffkonzentration, so dass dort ungefähr 2.700 m üNN simuliert werden. Nach einer Stunde auf dem Laufband und einem recht flotten Tempo stellte ich fest, dass die Herzfrequenz ca. 15 Schläge über normal liegt, dass ein kontrolliertes Laufen aber möglich ist. Schwierig war, dass meine Konzentrationsfähigkeit stark gelitten hatte. Im Endeffekt stufte ich die Höhenlage aber als beherrschbar ein.

Akklimatisierung

Für eine ausreichende Akklimatisation planten wir, eine Woche vorher anzureisen. Es gab im Internet sogar eine Ferienwohnung "Sisu", die wir selbstverständlich angefragt haben, die aber bereits ausgebucht war. In Klosters, einem Nachbarort von Davos wurden wir dann fündig. Bei ein paar Trainingsläufen wollte ich meinem Körper dann schonend beibringen, was es bedeutet, in den Alpen zu laufen. Beim ersten Lauf fand ich mich auf einem Schlucht-Wanderweg wieder und hätte fast geheult. Die Steigungen ließen meine Oberschenkel brennen und mich schier verzweifeln. Wie soll das bloß gehen? Totale Verzweiflung! Nach 45 Minuten drehte ich um und lief zurück. Bergab war alles super, aber das Abbremsen war muskulär kaum zu machen. Als ich nach ca. 75 Minuten wieder zuhause ankam, war ich ziemlich platt und hatte jetzt erst richtig Schiss, worauf ich mich da eingelassen hatte. Die Rechnung kam auch am nächsten Tag mit einem netten, wenn auch nicht allzu schlimmen Muskelkater, der mich aber drei Tage begleitet und davon abgehalten hat, noch mal laufen zu gehen.

Am Freitag waren wir dann bei der Starnummernabholung. Dass ich meinen Championchip zuhause vergessen hatte (ist mir auf der Autobahn in Höhe Nürnberg eingefallen), war zum Glück kein Problem, der Leihchip hat nicht mal was gekostet. Was man da in Davos zu sehen bekam, war schon beeindruckend. Alle Läufer total austrainiert, jeder schien zu wissen, worauf er sich da einlässt (außer mir). Vom Ironman kennt man das ja auch, aber beim Triathlon hatte ich die Erfahrung gemacht, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. In Davos schien mir das irgendwie ehrlicher und vor allem entspannter zu sein. Mal abwarten…

Am Nachmittag fing die Nervosität an, die ich mit einem letzten kurzen Lauf in Schach halten wollte. Ist mir sogar gelungen. Der Versuch allerdings, eine ebene Laufstrecke zu finden, war aussichtslos. Selbst der Wanderweg vor unserer Tür ging merklich hoch.

Vor dem Start

Der Wecker klingelte um 5:30 Uhr, ich hatte nur wenig geschlafen. Irgendwie sind die Gedanken abends dann doch übermächtig geworden. Mist. Aufstehen, Duschen, Anziehen, Frühstücken, das übliche Procedere. Um 7:30 Uhr sind wir dann in Davos beim Start angekommen, das erwartet hektische Treiben blieb aber aus. Alle waren ziemlich konzentriert und in sich gekehrt, die Toiletten wie immer zu wenige, die Kleiderbeutelabgabe fast nicht zu finden. In der Schweiz heißt das halt nicht Kleiderbeutelabgabe, sondern "Depositen". Für solche simplen Transferleistungen war ich aber nicht zu gebrauchen. Um 7:45 Uhr startete dann der Teamwettbewerb, bei dem sich mehrere Athleten die (vom K78 etwas abweichende) Strecke aufteilen. Die ersten allerdings auf dem Rad und die zweiten auf Inlineskates (wg. der Steigungen waren Stöcke zugelassen). Danach sammelte sich dann langsam das K78-Feld an der Startlinie. Die Vorstellung der Favoriten ließ ein schnelles Rennen erwarten, denn die Sieger der letzten Jahre waren alle mit dabei. Top-Favorit war der Russe Grigory Murzin, der den Streckenrekord mit unglaublichen 5:42 Std. hält. Mit dabei waren außerdem einer der Marokkanischen Anhansal-Brüder, die jedes Jahr den Sieger beim Sahara-Marathon stellen, und der ehemalige Du-/Triathlet Olivier Bernhard, als Schweizer Lokalmatador besonders hervorgehoben.

Die restlichen fast 1.000 Läufer hat das herzlich wenig interessiert, denn für alle anderen ist es kein Rennen gegen die Uhr, sondern gegen sich selbst.

Die ersten 30 km

Punkt 8 Uhr kam der Startschuss, die Masse schob sich erstmal in einer Schleife durch Davos, aber schon nach einem Kilometer war das Feld komplett entzerrt. Alle liefen ganz locker an, die Spitze natürlich nicht. Nach wenigen Kilometern ging es dann auf einem Feldweg mitten durchs Tal, schön zu laufen. Nur die Beine waren nicht so richtig locker. Nach ca. 7 km gab es dann die erste Kostprobe in Sachen Steigung. Was da kam, ließ mich in einen schnellen Wanderschritt fallen, denn sich da raufzudrücken, erschien mir nicht ratsam. Diese Steigung dauerte ungefähr einen Kilometer mit ca. 50 Höhenmetern. Bei Kilometer 10 fragte mich dann ein anderer Läufer, ob es meine erste Teilnahme sei. Mein Ja beantwortete er mit "Dann teil Dir das Rennen gut ein, denn das hier war nur das Vorspiel." Einerseits war mir das selbst klar, andererseits dachte ich mir, dass es nicht schaden kann, das Rennen komplett defensiv zu gestalten und am Anfang Tempo rauszunehmen.

Dass auf den nächsten 8 Kilometern noch weitere 150 Höhenmeter dazukommen, hatte ich leider nicht mehr auf dem Plan. Ich wusste nur, dass der tiefste Punkt der Strecke bei km 30 liegt und dass es von Davos ca. 500 Höhenmeter runtergeht. Je länger ich lief, desto mehr fragte ich mich, wann es denn nun endlich soweit ist. Und als es dann soweit war, wäre es mir lieber gewesen, wenn es einfach gerade weitergegangen wäre. In einem Waldstück mit richtig schlimmen Wurzeln fiel der Weg so steil ab, dass Laufen halsbrecherisch war. Durch die Wurzeln wusste ich nicht, wo ich die Füße gefahrlos aufsetzen sollte, durch das Gefälle konnte ich fast mein Körpergewicht nicht abbremsen. An mir vorbei schossen diverse Läufer, die damit kein Problem hatten. Es ist mir rätselhaft, wie man seine Gesundheit so aufs Spiel setzen kann. Dann kamen endlich ein paar Kilometer am Stück, auf denen es nur leicht bergab ging auf einer ebenen Schotterstraße. Links neben mir der schäumende Gebirgsbach, rechts neben mir steil der Berg. Herrlich! So langsam aber sicher erwartete ich das Örtchen Wiesen, wo man direkt neben der Bahnstrecke auf einem Viadukt läuft. Da aber gerade keine Bahn kam und ich lieber nicht nach unten schauen wollte, blieb mir der Reiz etwas verborgen. Als nächster Ort kam dann Filisur bei km 30, allerdings ging es dann mal wieder so steil runter, dass ich unten dann total breit war. Beim Verpflegungsstand genehmigte ich mir ein paar Becher Wasser mehr und trottete schließlich weiter. Ich hätte in diesem Moment lieber aufgehört, aber das bisherige war ja erst der leichte Teil der Strecke.

Der Aufstieg

Ab Kilometer 32 geht es dann richtig steil hoch, an Laufen war nicht mehr zu denken. Die nächsten 7 Kilometer bin ich fast ausschließlich gegangen. Damit war ich aber in guter Gesellschaft, denn das taten alle um mich herum auch. Als ich wieder Asphalt und den Füßen hatte bei verträglichen Steigungen, bin ich immerhin noch mal ca. 5 km gelaufen, wenn auch langsam. Doch das, was dann kam, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Die Asphaltstrasse wurde erst zu einem schmalen Schotterweg, um dann nach einigen Kilometern in einen alpinen Wanderweg überzugehen. Dieser Weg war meistens so schmal, dass geradeso ein Läufer Platz hatte. Überholen undenkbar. Der Weg war extrem uneben, teilweise mit mehr als faustgroßen runden Steinen. Immer wieder querten kleine Rinnsale den Weg, über die man springen musste, wollte man keine nassen Füße bekommen. Die Gefahr wegzurutschen oder umzuknicken war immer gegeben. Die beste Methode schien mir, das gleiche zu machen, was der Läufer vor mir machte. Geht bei dem alles gut, nehme ich die gleiche Route. Rutscht oder wackelt was, versuche ich einen anderen Stein. Um etwas von der beeindruckenden Landschaft zu sehen, hätte ich aber stehen bleiben müssen oder blind die Füße setzen müssen. Stehenbleiben ging nicht, weil direkt hinter einem Läufer sind, blind laufen war mir zu risikoreich.

Als markantester Punkt der Strecke kommt bei km 53 die Kesch-Hütte. Bei ihr ist die Steigung zu ende, von da geht es quasi nach hause. Diese Hütte ist einem so vertraut, als ob man dort schon tausendmal gewesen wäre. In allen Laufberichten spielt sie die größte Rolle des Laufs. Als ich sie schließlich sah (ungefähr zwei Kilometer vorher als kleiner Punkt auf dem Gipfel), wusste ich, dass ich es schaffen würde, allerdings fragte ich mich auch, wie sich wohl oben meine Beine anfühlen würden. Ich hatte schließlich für die letzten 23 km ca. 3:40 Std. gebraucht und war schon zu Beginn der Steigung völlig fertig. Irgendwie war es mir aber egal, ändern ließ sich sowieso nichts mehr. Endlich oben angekommen, machte ich erstmal ein paar Minuten Pause und trank ein paar Becher heiße Bouillon und ein paar Becher Wasser, bevor ich die nächste Etappe in Angriff nahm.

Der Panorama-Trail

Wenn ich bis dahin eingereiht in einer Perlenkette gelaufen bzw. gegangen war, war plötzlich niemand mehr zu sehen. Die Läufer von vorher waren alle noch am Verpflegungsstand oder vor mir schon wieder los.

Jetzt stellte sich mir die Frage, wo ich eigentlich lang muss, um weiterzulaufen. Ich entschloss mich, mal ein Stück Richtung Felskante zu gehen, um mich zu orientieren. Und plötzlich wusste ich, warum ich den Weg nicht gesehen hatte. Hinter der Felskante ging es erstmal einige Meter richtig runter. Was jetzt kommen sollte, nennt sich Panorama-Trail. Wenn man die Muße hat, sich umzuschauen, mag das stimmen. Der Weg ist allerdings weniger als einen halben Meter breit und neben einem geht es auf der rechten Seite ziemlich steil in die Tiefe, natürlich ungesichert. Wie sich meine Beine anfühlten, konnte ich kaum glauben. Sie waren komplett frei und locker, keine Ermüdungserscheinungen. Davon verwundert lief ich wie im Rausch, das hatte ich schon seit Jahren nicht mehr erlebt. Vermutlich hat der geringere Sauerstoffgehalt sein weiteres dazu beigetragen.

Die Streckenbeschaffenheit allerdings wurde jetzt richtig kriminell. Nur noch Geröll und kleine Bäche. In den letzten Jahren hat hier meistens Schnee gelegen, davon blieben wir verschont. Dafür setzte aber Wind und Regen ein, was nicht wirklich besser ist.

Es kam, wie es kommen musste: Irgendwo im Bereich von km 55 knickte ich richtig übel mit dem rechten Fuß um, dass es im Gelenk knirschte. Ich ging ein paar Schritte, um zu fühlen, wie schlimm es denn ist. Erstaunlicherweise behinderte es mich nicht, auch wenn ich es leicht spürte. Also weiter wie zuvor. Nach zwei weiteren Kilometern passierte dann das gleiche noch mal, und dieses Mal tat es dann hinterher auch richtig weh. Ich wusste, dass ich noch ca. 3 Kilometer bis zum Scalettapass hatte, von wo aus es dann runter geht zurück nach Davos. Diese drei Kilometer vergingen noch recht flott, allerdings auch unterbrochen von kurzen Gehpausen. Den Scalettapass fand ich ziemlich unspektakulär und nahm nur einen Becher Wasser und lief weiter.

Die letzten 18 km

Ab jetzt ging es nach hause. 1.100 Höhenmeter runter auf den letzten 18 km. Die Beine fühlten sich gut an, nur der Knöchel tat weh. Es sollten nun vier Kilometer folgen, die genauso steil runtergingen, wie zur Kesch-Hütte rauf. Fast nicht laufbar, außerdem immer noch überall Wurzeln und Geröll.

Die Gehpausen mischten sich zwischen die Laufpassagen, aber auch das Laufen war aus Sicherheitsgründen eher langsam. Die letzten 14 Kilometer waren dann auf einem Schotterweg zurückzulegen, immerhin ein ebener Untergrund. Leider wurde der Knöchel immer schlimmer, so dass die Gehpausen immer länger wurden. Bei Kilometer 73 tat schließlich das Gehen genauso weh wie das Laufen, so dass ich mir sagte, dass ich dann auch laufen könnte. Als endlich das Davoser Stadion in Sicht kam, freute ich mich, dass ich es geschafft hatte. Den Zieleinlauf habe ich genossen und wurde schließlich von meiner sichtlich erleichterten Familie in Empfang genommen, die seit km 39 (also bevor es richtig hart wurde) keine Rückmeldung mehr bekommen hatten.

Wundenlecken

Manche Finisher sahen aus, als wären sie aus einem Krieg zurückgekehrt, blutverschmiert. Sie waren gestürzt, hatten aufgeschlagene Knie und Hände etc. Von zweien habe ich gehört, dass sie nach einem Sturz wirklich mehrere Meter den Abhang runtergestürzt und wieder hochgeklettert sind, um weiterzulaufen und zu finishen.

Da bin ich mit meinem Knöchel noch glimpflich davongekommen. Als weitere Wehwehchen hatte ich unter den großen Zehennägeln jeweils ordentliche Blutblasen, von denen ich leider nur eine aufstechen konnte. Die andere muss wohl im Laufe der nächsten Monate abheilen. Sonst aber keine weiteren Blasen. Und natürlich ein paar Schürfstellen, wo die Hose gescheuert hat. Das hat zwar beim Baden hinterher höllisch gebrannt, war dank Babywundcreme aber am nächsten Tag auch schon nahezu abgeklungen. Leider ist der Knöchel auch nach mehr als zwei Wochen Regeneration noch nicht komplett ausgeheilt, so dass an Laufen erstmal nicht zu denken ist.

Fazit

Der Davos K78 ist wirklich ein Lauf für sich. Ich bin froh, dass ich das auf mich genommen habe. Auch die zweifelhafte Vorbereitung war ok. Wahrscheinlich sollte man mehr Krafttraining für die Beine machen, um die Steigungen und Gefälle besser zu verkraften, aber zur Not geht es auch so.

Die Tatsache, dass die meisten Starter Wiederholungstäter sind, spricht für sich. Dieser Lauf hat so viele unterschiedliche Schwierigkeiten, dass mir eine gewissenhafte Vorbereitung fast unmöglich erscheint, wenn man nicht in den Bergen wohnt. Am schlimmsten habe ich die Tatsache empfunden, auf dem allergrößten Teil der Strecke nicht abschalten zu können. Jeder Schritt muss bewusst gesetzt werden. Die Höhe dagegen fand ich total unproblematisch.

Bei einem zweiten Mal würde ich sicherlich einiges anders machen, aber wirklich leichter macht das den Lauf nicht. Beeindruckend war die Qualität der Läufer. Es hat sich bestätigt, dass alle entsprechend trainiert hatten.

Gewonnen hat übrigens ein absoluter No-Name, den niemand auf der Rechnung hatte. Ein Schwede, der das gleiche Problem hat wie wir Berliner: keine Berge. Sie hätten einen Hügel bei sich in der Gegend, den sei er entsprechend oft rauf und runter gelaufen.

Anmerkung der Redaktion: Gunnar hat in einer Endzeit von 10:08 h gefinisht. Au backe, das ist wirklich "SISU", herzlichen Glückwunsch, Gunnar!


© TriGe Sisu Berlin; 6.10.2007