von David Greve
Um es vorweg zu nehmen: Es war großartig, ich bin 158. von Tausenden Teilnehmern geworden, bin einen 41er-Schnitt über offiziell 157,2 km gefahren. Dabei habe ich nur durch Zufall teilgenommen – ein Geschäftspartner hatte ein paar Freistartplätze, und ich habe einen davon wahrgenommen. Für eine extra Reise nach Hamburg sollte es dann auch die lange Strecke – es war noch die Rede von 155 km – sein.
Ein langes Gesicht gab es nach der Anmeldebestätigung: Nur Schon-Mal-Teilnehmer wurden ihren Zielzeiten entsprechend in Startblöcke eingestuft. Neulinge bekamen einen Platz nach Meldeeingang. Ich landete im Block J, der 25 Minuten (!) nach Block A um 8:15 Uhr startete – und los ging die wilde Jagd.
Die Strecke ist komplett gesperrt, Gefahrenpunkte immer gekennzeichnet oder gar durch Strohballen gesichert. Ordner und großformatige Hinweisschilder weisen frühzeitig auf die Gefahrenstellen hin. Unterwegs gibt es mehrere Verpflegungspunkte, deren Qualität ich nicht beurteilen kann – ich bin immer durchgerauscht. Die letzten 10 km werden am Streckenrand herunter gezählt und einzig die Zieleinfahrt auf der Mönckebergstraße ist meines Erachtens viel zu schmal. Auch Transponderrückgabe und Medaillenvergabe ist perfekt, vielleicht ein wenig zu perfekt organisiert. Im Ziel aber auch schon vor dem Start erwarten einen gut gefüllte Verpflegungsstände.
On the road, wechsle ich erst einmal auf die Überholspur. Auf den ersten Kilometern bildet sich eine kleine flotte Gruppe, die ich im Anstieg zur Kölbrandbrücke verliere. Auch in den Harburger Bergen geht es weiter nach vorn, inzwischen stoße ich in den Startblock I und H vor. Zwischen km 40 und 50 frage ich mich, wie es weiter gehen soll. Ich habe fast einen 40er-Schnitt auf dem Tacho stehen und fahre weiter nach vorn – aber lange werde ich das nicht mehr durchhalten können. Sicher, ich überhole so dicht wie möglich an den großen Pulks vorbei, die über die Strecke sausen, ruhe mich immer wieder mal im Windschatten einer Gruppe aus – aber es sind ja noch über 100 km! Und in den Pulks kracht es immer wieder. Mal sehe ich es selbst scheppern, dann höre ich die Sirenen von Krankenwagen oder sehe bedröppelte Gesichter am Straßenrand, das gecrashte Rad neben sich.
An einem kleinen Anstieg bei km 53 kommt die Erlösung. Von hinten rast ein Zug heran, ca. 10 bis 15 Fahrer, fast alle aus Startblock K und auf der 100 km-Distanz unterwegs. Ich klinke mich ein, versuche immer in der vorderen Hälfte der Gruppe zu fahren – und muss nicht einmal in den Wind! Ab und an gilt es ein kleines Loch zuzufahren und schlagartig und laktatfördernd auf 50, 55 km/h und schneller zu beschleunigen.
Kurz vor der 100 km-Marke werden die Felder getrennt. Die jetzt wenigen verbliebenen 155er-Fahrer schauen sich an und bilden dann eine Gruppe, die weiter über die Strecke jagt. Zu Fünft oder Sechst wechseln wir uns an der Spitze ab – hinter uns bildet sich ein Schwanz von Fahrern, die keinen Meter Führung fahren, sich aber in unserem Windschatten halten können. 20 km vor dem Ziel suchen wir die Entscheidung und bemühen uns mit schweren Tritten an der Bergwertung (ja, die gibt es auch in Hamburg!) weg zu kommen – vergeblich, auf der Abfahrt fährt die Gruppe das Loch wieder zu. Erst auf den letzten Kilometern platzt die Gruppe, als wir das Tempo noch einmal erhöhen und zwischen 100 km-Finishern hindurch rauschen. Dann sind wir plötzlich da – und ich weiß: nächstes Jahr wieder und dann im Startblock A!