Ironman Nizza 27.6.2010

von Jan Eggers

Bei der letzten Wende geht mein Blick auf die Uhr. 11 Stunden und 20 Minuten sind vorbei, 3,8/180/36,9 km sind geschafft. Die letzten 5,3km durchlaufen! Ganz locker! Jetzt ist nur noch eins wichtig, Sub 12!

24. Juni, 15 Uhr – Unsere Maschine landet auf dem internationalen Flughafen Nice – Cotes d’Azur. Da wo andere genüsslich am Strand liegen, will ich meine Ironman Premiere hinlegen. Es ist bedrückend warm, als ich das Flugzeug verlasse. Geht ja gut los. Wo ist das Fahrrad? Zum Glück da. Unsere Apartmentschlüssel finden wir im Servicecenter und dann geht es mit dem Bus in die Altstadt. Unser Apartment – ein Traum, direkt neben Nizzas ältester Kathedrale, vom Balkon aus haben wir einen Blick über die gesamte Altstadt, unten sind zahlreiche Bars und Restaurant.

17 Uhr – ich betrete das Expogelände, welches sich auf einem Platz mitten in Nizza befindet, beste Adresse sozusagen. Organisatorische Querelen mit der Stadt scheint der Organisator Triangles nicht zu kennen. Was hier gesperrt werden soll, wird auch gesperrt. Ich gehe zum Registration Zelt – Ihren Startpass bitte. Zum Teufel wo ist er? Nicht im Portemonnaie. Ich hatte mir gerade ein neues gekauft und war davon überzeugt, den Startpass ausgepackt zu haben. Ich wollte schon wieder gehen. Wie sollte ich nachweisen, dass ich einen Startpass habe? Ein paar Meter weiter bleibe ich stehen und durchsuche meinen Rucksack, und da finde ich plötzlich die blaue Plastikkarte. Akkreditierung gerettet. Die Expo langweilt mich ansonsten. Es ist das gleiche Zeug wie immer. Unbezahlbare Räder, überteuerte Energieriegel, Stuff den kein Mensch braucht. Ich kaufe eine Zoggs Predator in weiß, Weltmeister Edition.

18 Uhr – Lebensmittel kaufen. Verdammt wieso gibt es hier nirgends normale Supermärkte? Wir kaufen zum Schluss im Lafyette in der Gourmetabteilung. In Frankreich scheint diese nicht ein Edel Supermarkt zu sein, wie in der Friedrichsstr., sondern neben deluxen Nachspeisen findet man auch Danone Joghurt und Orangina in Dosen. Abendbrot heute: Spaghetti mit Fertigtomatensauce und Mozarella. Nachtisch: Wirklich fettes und leckeres Schokoladensorbet.

25. Juni – bei einem intensiven Stadtrundgang gehen wir aufs Chateau und betrachten die Stadt von oben. Es ist wunderschön hier. Die Lust auf Sonntag vergeht irgendwie wieder. Eis Essen bei Hägen Dasz, Orangina und Cola trinken und die Kreditkarte beim Shopping überlasten, sind die weiteren Tagesinhalte. Abends springe ich noch mal ins Mittelmeer. 10 min locker schwimmen um zu merken, dass es enorm salzig und wellig ist. Die Lust vergeht mir ein zweites Mal.

26. Juni – Der Tag beginnt wie der vorige endete. Weiter shoppen und essen. Faul am Strand lagen wir auch noch ne Runde. Bike Check – in 18 – 19 Uhr.

17 Uhr – ich packe meinen Run und meinen Bike Beutel. Ist alles drin? Wie sieht das Rad aus? Nervosität. Ich gehe die Wechsel fünf oder sechs mal durch im Kopf um sicherzugehen, dass ich nichts vergessen habe einzupacken.

18:15 – Check–in: selten habe ich etwas so Professionelles in Sachen Organisation erlebt. Die Athleten haben seit Ihrer Anmeldung ein Festivalbändchen um das Handgelenk. In diesem ist ein Chip integriert, welcher auch in der Nummer am Fahrrad ist. Diese Chips werden gleichgekoppelt. Sprich, ohne mein Bändchen, bekomme ich mein Fahrrad nur schwer wieder aus der Wechselzone. Zusätzlich wird ein Foto von jedem Athleten mit seinem Fahrrad gemacht. Die Wechselzone wird nachts von Security mit wirklich böse aussehenden Wachhunden gesichert.

Der Bike und der Run Beutel werden mir von Helfern aus der Hand genommen und auf die Stangen gehangen. Ich merke mir wo sie hängen. Abschließend gibt es den Championship. Das wars, nun bin ich dabei beim Ironman France.

Abends noch ein kleines Bierchen (250ml – 4,80 Euro). Dann sechs Stunden seeligen Schlafes. Der letzte Gedanke: Gottverdammte Freakshow. Warum bleibe ich morgen nicht einfach liegen.

27. Juni4:15 Der Wecker klingelt. Ein wenig Obst zum Frühstück, mehr bekomme ich nicht runter. 5:15 wollten wir los zum Bike Park. Wir gehen 15 min vorher, da ich nur noch nervös durch das Apartment tigere.

5:20 – Bike Park. Das Rad ist da, Reifen aufpumpen: 9 Bar, es wird heiß heute. Trinkflaschen und Schuhe ran, weiter geht’s. Neben mir steht die älteste Teilnehmerin, AK 60, lebenslustige Engländerin. Zitat: „Wenn ich das schaffe, dann schafft das jeder. Mit 35, als meine Kinder raus waren, konnte ich die Straße nicht auf und ab laufen. Und heute bin ich eine Ironwoman.“ Hawaii hat sie bereits gebucht. Hillary Webber ist ihr Name, sie finishte in 14:10. Diese Worte motivierten mich. Stimmt, am Ende des Tages schafft es jeder!

6:15, noch 15 min bis zum Start. Ich stelle mich in die Gruppe -1:06h, links von den Pros. Ich hatte vorher gehört, dass es in Nizza immer viel Gerangel gibt (2700 Triathleten im Massenstart). Die Black Eyed Peas laufen – I got a feeling. Die Stimmung ist der Wahnsinn. Der Moderator fragt wo die Spanier sind, sie brüllen alle samt. Er fragt wo die Franzosen sind, das Brüllen ist fast doppelt so laut. Plötzlich kommt der Startschuss und alle stürmen wie verrückt in das Wasser, schreiend, als wenn sie in die Schlacht ziehen. Es ist irre.

Schwimmen: Es war unmöglich für mich einen eigenen Rhythmus zu finden. Die gesamten drei Kilometer musste man sich mit Schwimmern vor, neben, hinter oder auf einem rumschlagen(!). Zuerst ging es 1000m geradeaus, dann 400 Meter nach rechts, dann 1000m zum Strand und anschließend in eine zweite 1,4km Runde. Das Salzwasser machte mir eigentlich nicht zu schaffen, Wellen gab es an diesem Morgen eigentlich keine. Nach 1000m merkte ich lediglich, wie sich mein Neo in meinen Hals grub. So viel zum Thema: Vergiss die Vaseline. Nach den ersten 2,4km Kilometern hatte ich eigentlich keine Lust mehr, die Arme waren schwer, der Hals tat weh, und ich hatte das Gefühl, als wenn es eine Zeit um die 1:25 wird. Als der Boden zum zweiten Mal langsam wieder unter mir sichtbar wurde, schwamm ich kurz noch einmal Brust: Das berühmte in den Neo p........ J.

Split nach dem Schwimmen: 1:09. Plötzlich meldet sich der Bruder Ehrgeiz.

Radfahren: Ich hatte mir einen 30er Schnitt vorgenommen, was eine Zeit von 6h für die 180km mit 1800m uphill bedeutet. Am Anfang geht es 20km eben in Richtung Berge, mit leichtem Rückenwind ist ein 35er Schnitt kein Problem. Dann geht es los: 500m bei 12%, der erste Knüller, anschließend 3 km mit ca. 5%. Kurze Zeit bergab und bei Kilometer 50 dann Knüller Nummer zwei. Ein 20 km langer Anstieg mit durchschnittlich 4,5%. Ich brauche dafür etwa eine Stunde. Oben angekommen meldete sich meine Demotivation wieder. Warum zum Henker, geht es hier nicht bergab? Die Strecke bleibt eben, bis zum nächsten 4km Anstieg. Bei Kilometer 90 ist der ganze Spuk eigentlich schon vorbei. Das Iso schmeckt scheußlich, Gels will mein Magen heute irgendwie nicht. Ich halte mich an Wasser, Cola und Powerbars in den Verpflegungsstationen. Den Rest der Strecke geht es (mehr oder weniger) bergab. Bei Kilometer 110 habe ich ein Bikers High, bin in einer Abfahrt bei 60km/h vollkommen glückselig und fange fast an zu Heulen vor Glück. Einfach so. Noch 20km bis zum Laufen, Zeit 5:20h. Das wird doch noch ne Zeit von 5:xx. Mit ein bisschen Gas am Ende schaffe ich es zu einer 5:58, Ziel erreicht, nun beginnt der Spaß.

Laufen: Mein Marathon beginnt das erste Mal bei km 5. Was soll das hier eigentlich? Vollkommen beknackt, das alles noch 7 mal? Motivation: ein Haufen Leute sitzen jetzt vorm Livestream und tracken dich. Beweg deinen Hintern. Das zweite Mal beginnt mein Marathon bei km 15. Ich schließe mental bereits damit ab und gehe 2km. Ich überlege, wie viel Zeit ich noch habe. Genug um einen schönen Spaziergang zu machen über 27km. Kein Problem.

Meine Freundin steht bei km 18. Wie lange soll die eigentlich auf dich warten? Ich komme wieder in Bewegung und los geht’s. 200 Schritte rennen, 50 Schritte gehen. Bei Verpflegungsstationen durchgehen. Der Plan geht auf, ich halte dieses System durch, steigere es dann auf 250/50 und schließlich auf 300/50 um dann wieder auf 200/50 zurück zu gehen. Das rechte Knie zwickt irgendwann, egal. Die Schuhe sind von den ständigen Wasserduschen durchnässt, egal. Es gibt keinen Schatten außer den meines Cappies, egal.

Am Ende soll es reichen. 11:53h.

Sollte Euch dieser Bericht nicht abgeschreckt haben, gebe ich euch noch ein paar Tips für den Ironman France!

Für Euer Ironman Debut habe ich auch noch einen guten Tip! Schreibt einfach jedem, dass er Euch auf ironmanlive.com verfolgen soll und haut auch ordentlich auf die Kacke mit euren geplanten Zeiten. Aufgeben gibt’s da nicht mehr!

Herzlichen Dank an:


© TriGe Sisu Berlin; 10.7.2009