Es war einfach, sich anzumelden, und ich war natürlich ein Opfer der Werbung und der Gier. Ich war kurz vor dem Ironman in Hamburg, hatte meine Startunterlagen abgeholt und gerade das Briefing dazu mitgenommen, als eine Durchsage kam, dass man eine Brille von Roka erhält, wenn man einen beliebigen Ironman noch in diesem Jahr anmeldet und durchführt. Die Brille sah gut aus, doch allein für den Preis hätte ich sie mir nie gekauft. Doch mit einer Ironman Veranstaltung dazu viel es mir gerade zu einfach. Ich spritzte vor Energie und Lust nach diesen Veranstaltung und entschied mich kurzer Hand für den Ironman 70.3 in Erkner. Natürlich nur für diese Brille. Was da noch draus werden sollte, konnte natürlich keiner erahnen.
Nach meinem Ironman in Hamburg ließ ich es erstmal locker angehen und erst 1-2 Monate vor dem Wettkampf in Erkner wusste ich, ich muss mich mal langsam wieder ehrlich machen. Ich ruhe mich quasi auf meinen Lorbeeren aus. Die Wochenenden waren dann noch mit langen und schnellen Einheiten geprägt, und in der Woche sollte es eher kurz und Technik sein. Perfekt. Eine Woche vor dem Wettkampf. Ich fuhr am Sonntag mit meinem Teamkollegen Piotr die Radstrecke nochmal ab. 90km, kaum Schlaglöcher, toller Asphalt. Ich hab mich sehr stark und sicher gefühlt und begann mit Daniel fast schon zu wetten. Nein, er hat eher mit anderen Teamkollegen gewettet, dass er vor mir ins Ziel kommt.
Zum Hintergrund: Er ist, wie man in Bornsdorf gesehen hat, beim Schwimmen um einiges schneller als ich. Das Radfahren scheint gleich zu sein, doch beim Laufen habe ich meine Stärken. Nun kam die Tapperingfase und eigentlich eine echt erholsame Zeit. Doch dann begann ein Magen-Darm-Virus seinen Spaß in mir zu haben, und ich war schwer darin genug Mineralien, Wasser und Essen in mir zu halten um mich auch richtig zu erholen. Meine Ärztin riet mir am Freitag vor dem Wettkampf ab, überhaupt zu starten. Ich tat alles, das es besser wurde, und lief am Samstag eine kleine 5 km-Runde mit kleinen Aktivierungssprints. Ich dachte mir, wenn es hier klappt, dann trete ich trotzdem an. Und es war gut. Mein Körper schien sich erholt zu haben und sich doch irgendwie auf den Wettkampf zu freuen.
Daniel anullierte jedoch all seine Wetten gegen mich, da er es als unfair empfand. Ich jedoch, wollte diesen Ergeiz zurück und forderte ihn trotzdem heraus. Es ging um einen Kasten alkoholfreien Erdinger. Ich mag das Bier. Wir wetteten, wer trotz aller Erwartungen zuerst im Ziel ankommen würde.
Wir trafen uns am Rennmorgen und wünschten uns viel Glück. Es war viel los. Ein ganzes Fussballfeld war voll mit Rädern die die Schallmauer durchbrechen wollten. Tausende Menschen waren wach, präparierten ihre Zeitmaschinen und wickelte sich in ihren Neo. Man spürte quasi die Spannung von jedem einzelnen. Auch bei mir sollte es nicht ganz rund laufen. Meine Räder waren vom Samstag Nachmittag zum Sonntag platt geworden. Was tun? Ich füllte noch etwas Dichtmilch in meine Tublessreifen nach und pumpte sie wieder auf. Ich habe einfach nur gehofft, dass es ausreicht. Zur Not hatte ich noch ein Mantel dabei, um ihn schnell zu flicken. Aber es war kein Loch zu sehen, es war kein Zischen zu hören, was einem viel Angst machen könnte. Doch warum waren die Reifen dann platt? 30 min später, war immer noch der komplette Reifendruck vorhanden, und ich gebe meine Pumpe wieder ab. Alles andere ist ebenfalls präpariert. 6 Gels in eine 500 ml Flasche gefüllt, eine Weitere mit Iso und ein Fronttorpedo ebenfalls mit Iso gefüllt. Das muss reichen. Dachte ich mir. Die Sattelflaschenhalter ließ ich bewusst leer.
7:40 Uhr. Ach her je, ich wollte ja nochmal kurz das Wasser spüren und ich sprang kurz und viel zu schnell hinein. Ich bekam kaum Luft und ging wieder raus. Was ist los? Bin ich so in Hektik oder habe ich das Schwimmen wieder verlernt? Durchatmen und rausgehen. Die Athleten positionierten sich kurz vor 8 Uhr am Schwimmstart. Jeder nach seiner gedachten Schwimmgeschwindigkeit. Natürlich war ich da ganz weit hinten dabei und Daniel ganz weit vorne. Parallel zum Start kamen immer wieder Kommentare zum Start in Nizza, der Weltmeisterschaft. Es war alles sehr spannend.
3 - 2 - 1 - peng und los sprangen die Ersten ins Wasser. Im 5 Sekunden Takt folgten die Nächsten. Die Zuschauer jubelten jeden einzelnen an, bis er im Wasser kaum noch zu sehen war. Ich war noch nicht mal drin, schon kamen die Ersten wieder aus dem Wasser. Ein paar Enten versuchten noch die Schwimmstrecke zu durchqueren, so berichtete der Kommentator. Schon war ich dran. Konzentration und los. Ich konzentrierte mich auf ein gleichmäßiges Atmen in 2er oder 3er Atmung und versuchte, den Beinschlag zu reduzieren, damit ich meine Arme länger mit Sauerstoff anreichern kann. Es ging ganz gut, und ich kam nach 38 min aus dem Wasser. Dabei war der Rückweg nicht ganz so einfach, da man wegen der tief stehenden Sonne nicht viel gesehen hat.
Raus aus dem Wasser, raus aus dem Neo und zum Beutel. Das ging fix. Nach ca. 4 min war ich dann schon mit meinem Rad wieder aus der Wechselzone und sauste davon. Die Zuschauer hatten nicht viel von mir aber schreien mich trotzdem an, nach vorn zu schauen und schnell zu fahren. Daniel hatte 8 min Vorsprung.
Es war eine schnelle Radstrecke und sie lag mir sehr gut. Ich lag wie ne eins auf meinem Rad und hielt einen soliden 38 km/h Durchschnitt. Kurve links, kurve rechts, Schlaglöcher vorbeilassen, und immer den nächsten Athleten im Blick. Ich wollte meine langsame Schwimmzeit wieder gut machen. Lustigerweise hatten andere Athleten dasselbe Ziel, und wir überholten uns teilweise bei den unterschiedlichsten Bereichen. Kurz nach Kurven konnte ich meinen Antritt zeigen, den ich an jeder Ampel der Berliner Stadt geübt habe, auf langen Wegen konnte ich tief liegen und meine Konstanz ausüben. Und so schaukelt man sich von Athlet zu Athlet.
Die Verpflegungsstellen waren gut positioniert und die Helfer gut drauf, sodass jede Wasserflasche die ich griff, direkt in meiner Hand blieb. Ein Schlag, einmal über den Rücken und einmal über er die Brust mit dem Wasser. Das sorgte mir für ausreichend Abkühlung bei knapp 30 °C. Der Wurf in die Tonne hat dann bei 3 Versuchen immerhin zweimal geklappt. Das letzte mal traf ich leider nur die Kante der Mülltonne. Dafür sollte es auch Punkte geben, denn soviel haben hier daneben geworfen.
90km später ging ich aus den Radschuhen direkt barfuß auf den steinigen Asphalt kurz vor der Arena. Es waren nur ein paar Meter, doch es hat schon weh getan. Auf dem Rasen angekommen, suchte ich meine Abstellung und fand sie direkt. Weiter dann zum Beutel und nur mit Schuhen, dem Kap und meiner Brille weiter. Ca. 2:30 min später war ich draußen, und das Publikum feuerten mich an.
Ich lief los, und einen Kilometer später traf ich Daniel. Er hatte bereits eine 5km Runde absolviert, da er 20 min vor mir gestartet war. Ich freute mich, dass ich mein Tempo um die 4:40 min/km die ersten Kilometer halten konnte und wusste um Daniels Schwäche. Schneller als 5 min/km läuft er nie, dachte ich mir. Die spätere Auswertung zeigte jedoch was anderes und ich hätte mich fast vertan. So viel Übermut kommt vor dem Fall. Beim Eintreten in die zweite Runde schrie mir Marina zu, dass ich nur noch 4 min hinter ihm sei, und mein Kopf fing an zu rechnen. Ich schaffte meine Pace nur mit Mühe und Not und versorgte mich mit Cola, Iso und Eis an jeder Versorgungsstation. Ich wollte es unbedingt schaffen. In der Dritten Runde waren es dann wohl nur noch Sekunden, die mich von der Überholung meines Teamkameraden trennten, also biss ich mir auf die Zunge und zog durch.
Letzten Endes war es eine Pace von 4:46 min/km, und ich war zufrieden damit. Eine Gesamtpace von 4:46 für den 70.3 hätte ich bestimmt ohne diese Wette nicht gemacht. Ich würde auch niemanden dazu raten, so kurz nach der Krankheit auf so einen Wettkampf zu gehen. Ich habe es gemacht, weil ich mich gut fühlte, und es war mir auch klar, dass wenn sich mein Zustand ändert, ich sofort abbrechen würde, egal was es mit der Wette auf sich hat.
Zur Auflösung der Wette kam es später, nach ein paar Shake Hands und Gratulationen. Wir waren beide schnell unterwegs und haben die 5 Stunden locker geknackt. Der Kasten mit alkoholfreiem Bier wird später noch überreicht, und ich bedanke mich für diese Aufholjagd. Danke für diesen Wettkampf. Danke für die Unterstützung von draußen. Danke, dass ich dabei sein durfte. Danke für diese Challenge!