von Antje Uckert
Wie jedes Jahr hatte der Audaxclub Schleswig-Holstein zum Zeitfahren Hamburg–Berlin eingeladen. Die Sisus haben sich ja schon einige Male der Herausforderung gestellt, und auch in diesem Jahr stand der Entschluss, die Strecke zu rocken. Unabhängig voneinander hatten sich Olaf, Michael, Sven, Reiner, Christopher, Christian und ich angemeldet – beim Sommerfest der Sisus haben wir das erst festgestellt. Zusammen ist es ja leichter, und so trafen wir uns am Morgen des 12.10.2019 am Start in Hamburg-Curslack bei leider sehr bescheidenem Wetter, um nicht zu sagen typischen Hamburger Schiet-Wetter. Aber bevor es los ging, wurde erstmal das Frühstücksangebot des Vierländer Landhauses ausgiebig genossen.
Pünktlich um 7:16 Uhr stand Team Sisu 1 am Start und rollte langsam los, um auf Sisu 2 zu warten, Startzeit war eine Minute später. Team 1 sollte aber nicht weit kommen, nach ca. 100 Metern waren von Christopher und Sven erfolgreich die dort herumliegenden Glasscherben aufgesammelt, die sich bösartig in die Reifen bohrten. Also gleich nach dem Start 2 Platten, einen "besseren" Start hat wohl niemand hingelegt. Die Laune war gleich etwas gedämpft und der Nieselregen half da auch nicht. Nach ca. 15 min ging es dann wirklich los, wir haben es als gutes Omen genommen, kann ja jetzt eigentlich nur noch besser werden. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht, dass Christopher und Sven nicht nur Riegel und so im Gepäck hatten, sondern auch den Pannen- und Pechteufel.
Nachdem der erste Schreck und der Zeitverlust verdaut war, haben wir zum Glück eine gute und schnelle Gruppe gebildet. Der Regen war natürlich nicht schön, aber wir wussten, jeder Kilometer Richtung Osten würde uns der Trockenheit näherbringen. Wir haben die ersten 50 km nur auf das Hinterrad des Vordermanns gestarrt und gehofft, dass es bald trocken würde. Nach 50 km war es wirklich soweit, es war nur noch von unten nass und die Laune wurde besser. Nach weiteren 20 km wurde sogar die Straße trocken, und wir fingen an die Fahrt zu genießen, auch wenn wir alle durchnässt waren bis auf die Haut.
Noch 20 km bis zum Kontrollpunkt, wir hatten schon einige Fahrer überholt und peng, gab es den nächsten Platten. Sven durfte das zweite Mal sein Vorderrad flicken, wieder Zwangspause, die Überholten zogen wieder an uns vorbei. Die Laune ging wieder etwas nach unten, aber die Brötchen und der Kaffee am Kontrollpunkt (km 95) an der Dömitzer Brücke stimmte uns wieder besser. Mit den ersten Sonnenstrahlen ging es zügig weiter, durch schöne und nicht so schöne Dörfer, durch Felder, fernab von jedem Verkehr zum Elbdeich und weiter Richtung Wittenberge. Es lief gut, allerdings stellte sich immer mehr kräftiger Seitenwind ein, der uns zu schaffen machte. Trotzdem kamen wir gut voran, aber irgendwas ist ja immer. Sven kam plötzlich nicht mehr mit. Er hatte schon wieder einen Schleicher im Vorderrad. Nach einer kürzeren Zwangspause konnten wir aber weiterfahren.
Wieder waren wir auf den unendlichen Felder mit ihren verwinkelten Sträßchen unterwegs und waren guter Dinge, als bei km 163 Christopher in einer Kurve plötzlich auf der Erde lag und sein Rad nur noch als Laufrad zu gebrauchen war. Sein rechter Kurbelarm war gebrochen. Das war der Tiefpunkt der Fahrt, Christopher sammelte sich zum Glück sehr schnell, obwohl er auf Schulter und Kopf gefallen war und auch der Helm seine Pflicht verrichten musste und ihn vor schlimmerem bewahrt hat. An Weiterfahren war für ihn nicht mehr zu denken. Zum Glück waren wir nur 4 km vom Bahnhof Bad Wilsnack entfernt, und Michael erklärte sich bereit, Christopher zum Bahnhof zu begleiten und mit ihm nach Berlin per Bahn zurückzufahren. Alleine wollten wir ihn nicht fahren lassen.
Des einen Leid, des anderen Glück, könnte man sagen. Da Christopher nicht weiterfahren konnte, bekam Sven kurzerhand sein Vorderrad und auch der Pannenteufel fuhr somit mit der Bahn nach Hause. Zu fünft setzen wir nun die Fahrt fort, und jeder hing seinen Gedanken nach und wir hofften, dass bei Christopher und Michael alles gut gehen würde. Kurz vor unserer zweiten geplanten Pause fuhren wir auf eine größere Gruppe auf und beschlossen erstmal, uns hinten auszuruhen, auch wenn das Tempo nicht ganz nach unserem Gusto war. Aber die Energiespeicher waren bei mir schon ziemlich leer und ich brauchte ein kürzeres Tempo. Der Supermarkt in Rhinow (203 km) war endlich erreicht, und die Speicher wurden wieder aufgefüllt. Olaf machte jetzt richtig Dampf, auf Grund der vielen nicht geplanten Pausen wurde es langsam eng das Ziel im Tageslicht zu erreichen.
Wir waren schon länger in Brandenburg unterwegs, und auf den Feldern hockten die Gänse und Kraniche. Es lief wieder super, der Express schnurrte. Parallel zur B5 ging es Richtung B5-Center. Die Abendsonne verwöhnte uns. Am B5-Center hatte uns dann die Großstadt wieder, von gleich auf jetzt waren wir mitten im Kaufrausch der Hauptstädter. Hilfe, nach 250km in der Einsamkeit war das fast ein Kulturschock. Weiter ging es über Havelpark Richtung Gatow. Wir sind nicht wie die meisten über die Heerstraße gefahren, sondern haben uns über Seeburg Richtung Gatow im Sonnenuntergang dem Ziel genähert. Dass wir damit eine gute Wahl getroffen hatten, bestätigte uns später der Zieleinlauf zweier Mitstreiter, die uns am B5-Center überholt hatten und erst nach uns eintrudelten. Im letzten Tageslicht, freudig von Steffi empfangen, erreichten wir um 18:24 Uhr das Ziel. Glücklich und zufrieden, trotz der ganzen Pannen und Zwischenfälle, genossen wir unser Zielbier und die Zielverpflegung.
Nach 11:07 h hatten wir die 280 km geschafft, meine Uhr sagte mir, dass wir netto nur 09:32 h für die Strecke benötigt haben. Ich bin ziemlich stolz auf das Geleistete, die Bedingungen waren alles andere als optimal. Allerdings hätte ich es ohne das Team vllt. nicht geschafft. Vielen Dank Jungs für den Windschatten und Eure Geduld, und dass das Murren bei Streckenfehlern ganz leise war. Für die Strecke war ich irgendwie verantwortlich. Christopher und Michael sind gut nach Berlin zurückgekommen, und Christopher hat sich zum Glück schnell von seinem Sturz erholt.