Bericht Audax Zeitfahren Hamburg – Berlin 15.10.2022

von Christopher Kaan, Michael Vonderbank und Tobias Hopf

Wenn der Herbst sich so langsam einschleicht, hilft oft ein würdiger Saisonabschluss, nochmal die Hintern hoch zu bekommen und noch ein paar ordentliche Trainingseinheiten zu machen. Ein solcher Saisonabschluss für das Rennrad ist auf jeden Fall das Mannschaftszeitfahren Hamburg-Berlin. Die Aufgabe ist im Prinzip recht einfach beschrieben: im Team von bis zu 5 Fahrenden so schnell wie möglich die 278 km von Hamburg nach Berlin. Was so einfach klingt, kann anbetracht der Länge der Strecke doch einige Tücken in sich Bergen.

Sisus und Ehemalige mit Gästen bildeten zwei Teams, das „Sisu Berlin Grupetto“ mit Christopher, Tobi Hopf und mir zusammen mit Sven Scherner und Mathias Schade als gern gesehenen Gästen. Das zweite Team mit Daniel Pfaffenbach und Thomas Kurowski starteten zusammen mit Torsten Bumke als „Bahnersatzverkehr“. Dieses Team trafen wir nur zweimal, länger beim Frühstück und im Wegfahren vom Kontrollpunkt.

Unsere Anreise erfolgte enspannt am Vorabend mit dem ICE. Leider verpasste unser fünfter Mann Matthias den Zug, da seine Regionalbahn aus Michendorf an einem Bahnhof 10 Minuten auf einen verspäteten Bus wartete. So waren wir nur noch zu viert. Nach der angenehmen und kurzen Hinfahrt folgte dann ein etwas frugales Abendessen direkt im Bahnhof, weil wir nur hier die Räder im Blick hatten. In unserer Ferienwohnung gab es dann noch einen Schreckmoment, als sich Sven und Tobias aus ihrem Zimmer ausschlossen, in dem ihre Schlüssel und auch die sonstigen Sachen lagen. Glücklicherweise konnte auch dies gelöst werden, sonst hätten wir zu zweit nach Berlin fahren müssen.

Die nächste Mahlzeit war das leckere Frühstücksbüfett morgens um halb sieben. Dieses wird vom Veranstalter gestellt und ist im Startgeld inbebgriffen. Also noch einmal vernünftig essen, verspricht dies doch die einzige echte Mahlzeit an diesem Tag zu sein Auf den Frühstückstischen lagen Flyer für fen Super-Brevet Berlin – München – Berlin im nächsten Jahr, falls jemand Interesse hat. Das löste selbst bei uns nur Kopfschütteln aus.

Dann der Start mit Unkenrufen an Sven, der vor drei Jahren nach 10 Metern den ersten und leider auch nachhaltigen Plattfuss hatte und schließlich mit einem geliehenen Laufrad in Berlin ankam. Auch dieses Mal gab es einen Platten, aber dazu später.

Vorausgesagt waren kein Regen und ein Wind aus SW, was die von Christopher wieder gut geplanten 278 km zumindest nicht erschwerte. Mit Licht ging es los auf leeren Straßen. Überhaupt war es eine landschaftlich sehr schöne Strecke mit einer Hügeleinlage bei Hitzacker, bis wir ab Nauen die letzten Kilometer immer entlang der B 5 fahren mussten (sehr glatter Asphalt mit mehreren Überquerungen der lauten Bundesstraße). Aber ab hier hatte sowieso keiner mehr den Blick auf die Landschaft.

Relativ früh holten wir eine etwas langsamere Sechsergruppe aus Brandenburg/Havel ein, mit denen wir bis zum Kontrollpunkt zusammen fuhren, was mit kurzen und netten Unterhaltungen verbunden war. Am Kontrollpunkt Dömitz an der Grenze zwischen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gab es auch für die, die eher spät gestartet sind, noch genug zu essen und zu trinken, dazu konnte man diese schnellen und kraftsparenden vollverkleideten Liegeräder bewundern, die mit unglaublicher Geschwindigkeit immer wieder an uns vorbeischwebten.

Auf Höhe von Bad Wilsnack legten wir an einer Ecke eine kurze Pause mit Dank an den Pannengott ein. Hier war vor drei Jahren Christophers Kurbel den Weg alles Irdischen gegangen.

Unser Team fuhr sehr harmonisch und nahm auf mich (Michael) immer Rücksicht, als ich nach Havelberg nicht mehr vorne fahren konnte und auch gut in einem der Bahnhöfe an der Strecke in eine Regionalbahn hätte steigen können, die mich direkt bis Südkreuz gebracht hätte. Aber weil es eine Binsenweisheit ist, dass es bei jedem langen Wettkampf mindestens eine Krise gibt, biss ich auf die Zähne und bat darum, etwas langsamer als 32 km/h zu fahren. Interessanterweise war das mein Schwellenwert zwischen Rollen und Anstrengen. So machte es später wieder Spaß mit um die 30 km/h in dieser Gruppe zu fahren.

Die Streckenvorgabe durch den Veranstalter ist sehr einfach: Auf der ganzen Strecke gab es nur zwei Elbebrücken, die alle Teilnehmer:innen in einer bestimmten Richtung passieren mussten und einen Kontrollpunkt, ansonsten konnte die Strecke frei gewählt werden. So haben wir uns in Havelberg nach kurzer Diskussion zu einer längeren Kaffee-und-Kuchen-Pause in ein Café gesetzt. Dort stieß Mathias zu uns, der uns mit dem Zug entgegengekommen war und uns bis Berlin noch verstärken wollte.

Die windempfindliche Strecke nach Nauen war dann auch ein Tiefpunkt im Team: für Michael eher motivatorisch, für Christopher eher energetisch. Nach Nauen kam dann auch die rettende Tankstelle. Dort haben wir die vermeintlich letzte Pause gemacht, die Flaschen aufgefüllt und einen letzten Imbiss zu uns genommen. Jetzt begann der wenig schöne Abschnitt mit tobendem Autoverkehr und einbrechender Dunkelheit und 4 km vor dem Ziel in Gatow doch noch die Reifenpanne. Nach diesem unfreiwilligen Aufenthalt, bei dem alle Liebsten über unsere baldige Ankunft informiert wurden, brachte uns Christopher auf kürzestem Weg zum Ziel, dem Wassersportheim in Gatow. Dort gab es die offizielle Zeitnahme, eine Bratwurst für jeden und das obligatorische Siegerfoto. Unsere Fahrradcomputer gaben eine reine Fahrtzeit von 10:03 h an – Schade, wir wären gerne unter 10 Stunden geblieben. Aber mancher Sisu kennt dieses blöde Gefühl.

Insgesamt ist diese Tour aber immer eine Reise wert. Die Landschaft ist schön, die Mitfahrer nett, und das Wetter zumeist auch gut. Und wie gesagt: so ein Saisonabschluss hilft gut über Motivationslöcher im Spätsommer hinweg.

 


© TriGe Sisu Berlin; 28.10.2022