von Chris Kulke; Fotos: teils Sportograf
Als ich Ende September 2022 mich entschieden habe eine Langdistanz des Triathlons zu machen, einen Ironman, hätte ich nie gedacht, dass ich es schaffe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon etliche olympische Distanzen und einige Mitteldistanzen hinter mir. Ich sah es immer nur im Fernsehen, wie sich Andere vorbereiten und es dann auch locker durchstehen. Bei meiner täglichen Arbeit von 8 bis 10h täglich musste ich nun noch ein Trainingsprogramm einfließen lassen. Nicht nur so wie ich Lust hab, sondern am besten nach Plan. es musste also ein Trainer her, der mich wenigstens kennt und einen strukturierten Plan machen kann.
Meine Entscheidung fiel auf Stephan Shepe. Er trainiert unseren einmal die Woche in der Schwimmhalle und einmal auf der Laufbahn im Stadion. Perfekt, dachte ich mir, da er meine Leistung auch regelmäßig sieht und so einschätzen kann, wie es voran geht. Er war mit meinem Vorhaben einverstanden und wollte mich auch trainieren und eine Trainingsplan schreiben. Ende Oktober 2022 fingen wir an mit dem Grundlagentraining. Die anderen Schwimmtrainer Moritz und Olaf unterstützen das Vorhaben durch ihr Schwimmtraining bei den Sisus natürlich.
Ende November ereilte mich jedoch eine kleine Verletzung im Bereichs des Schambeins. Kurz und knapp: ich konnte nicht mehr schnell rennen und konnte damit kein Lauftraining unter die 5 min/km starten. Radeln und schwimmen ging jedoch irgendwie. Wir entschieden uns, eine Trainingspause im Dezember über meinen Urlaub einzulegen. Hier schwamm ich nur ein paar Mal im roten Meer, um nicht ganz raus zu kommen. Im Januar starteten wir dann gemütlich ins Rad und Schwimmtraining. Ich merkte, dass das Wasser nicht mein Freund sein wollte, aber ich zog das Training durch.
Ende Januar 2023 dann der Start ins leichte Lauftraining. Das Tempo wurde ab und an etwas gesteigert, bis ich wieder auf 4 min/km laufen konnte. Aber immer ruhig mit den jungen Pferden. Ich darf nicht übertreiben. So lief das Training immer weiter. Zwei Trainingslager in Lindow sollten mich dem Wasser näher bringen. Ok, es hat mich nicht abgestoßen, aber so wirklich gut habe ich mich nicht drin gefühlt.
Mai 2023 fingen dann die langen Einheiten an. Die Wochenenden waren geprägt von den Plänen des Trainingsplans. Am liebsten immer an andere Orte. Belitz, Oranienburg, Strausberg, Oder, Königswusterhausen, etc. Zuletzt ging es an die Ostsee. 60 km Radeln und 20 km laufen. Ok. War easy. 185 km von der Ostsee zu Nordsee und zurück. COOL, ich fühle mich locker und könnte jetzt noch locker laufen. Noch 1 Woche bis zum Wettkampf.
Am Freitag 2.6.23 kam ich mit meiner Freundin in Hamburg an. Das Hotel war nicht weit vom Start entfernt, und wir liefen direkt los, um mir die Startunterlagen und die Wettkampfbesprechung abzuholen. Nun gut, ich kaufte mir noch ein Trisuit, denn der sah gut aus und passte mir perfekt. Ich sah das Ziel vor mir und überlegte, wie ich mich wohl fühlen würde, wenn ich den roten Teppich überqueren und das Ziel durchschreiten würde.
Samstag: Lass uns doch locker durch die Parks laufen. Am besten so früh wie möglich, um mich an das frühe Aufstehen zu gewöhnen. Gesagt getan. 6 km durch die "Planten und Blomen" zum Jungfernstieg. Eine echt schöne Gegend, und um 5 Uhr macht der Wärter gerade die Tore zu den Parks auf. Nach dem Lauf und dem Frühstück ging es gleich weiter zum Testschwimmen in die Binnenalster. Viele Athleten meinten, dass es ein dreckiges Gewässer sei. Wenn ich nun zu Berlin den Vergleich ziehe, ist es nicht anders ;-) Also alles wie zu Hause. 19 °C wurden angesagt, und meine Uhr bestätigte diesen Wert auch nach dem Schwimmen. Kaum Wellen und Wind. Wenn es so am Sonntag würde, wäre ich sehr glücklich. Dann haben wir uns noch das Interview mit Jan Frodeno und seiner Konkurrenz angeschaut. Ich muss sagen, dass er an sich recht sympathisch rüberkommt. Nun ist auch früh ins Bett gehen angesagt, wir sind nun auch schon echt müde, und ich brauch den Schlaf, denn bald klingelt der Wecker.
Sonntag morgen um halb vier klingt es aus dem Handy. Ich würde das Handy gerne gegen die Wand schmeißen und mich nochmal umdrehen, doch dann erinnere ich mich, dass heute mein großer Tag ist. Mein Gesicht ist noch matschig und das Kopfkissen steckt noch halb fest, als ich mich in den Trisiut zwänge. Eine lockere Hose rüber und ein Pullover. Mehr brauche ich jetzt erstmal nicht. Es grummelt etwas im Bauch. Ist das jetzt der Hunger oder die Aufregung? Von der Rezeption holten wir unser Lunchpaket und jeweils einen Kaffee ab. Ohne den werde ich nicht wach, und Rituale soll man auch vor dem Wettkampf pflegen. Schnell essen, Flaschen füllen, Sachen im Rucksack kontrollieren, einmal ein- und ausatmen und noch eben eine lange Umarmung von meiner Liebsten holen. Jetzt geht’s aber los. Es ist 5 Uhr, und ich wollte eigentlich schon in der Wechselzone sein. 5:15 Uhr kamen wir dort an. Warum darf ich nun nicht hier rein? Klar, es gibt für 2000 Athleten nur einen Eingang und der ist noch 300 m entfernt in der Mitte der Wechselzone. Nun gut, nicht ärgern und los. Der erste Weg ging zu den bereits abgegebenen Beuteln fürs Rad und den Lauf. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Es ist alles noch drin. Die Sonnenbrille legte ich in den Laufbeutel. Den Helm setze ich auf jeden Fall nochmal auf.
Einmal durchatmen und weiter zum Fahrrad. 500 m weiter stand es tatsächlich. Auf dem Weg dorthin sah ich, dass die Reifenpumpstationen total überfüllt sind. Weiter zum Rad, es ist noch alles in Ordnung und ich bin zufrieden. Die Flaschen und den Fahrradcomputer angesteckt und aktiviert. Die Schuhe am Rad befestigt. Meine Handgriffe werden immer schneller, weil die Zeit bis zum Start drängt. Ich sah bei meinem Nachbarn eine Fahrradpumpe und ich stammelte mein Englisch raus. "Sure" antwortete der sofort. Wie schön ist so eine tolle Triathlongemeinschaft, wo jeder einander hilft. "THANK YOU". Weiter geht's, den Beutel für danach noch packen und in den Neo reinschlüpfen muss ich noch. Irgendwie muss ich noch auf eine Toilette. Auf den Weg raus zum Schwimmstart, kommt man ja an einigen Dixis vorbei. Nun gut, die riesen Schlangen davor machen es nicht leicht ranzukommen. Aber ich hab die Zeit genutzt, um den Neo halb anzuziehen. Weiter zum Schwimmstart. Es drängen sich Massen in dieselbe Richtung, Athleten und Zuschauer.
3 - 2 - 1 - Peng. Die Profis springen in das kühle Nass. Aber tausende Zuschauer und Athleten klatschen und feuern sie an. Am Schwimmstart angekommen muss ich nun warten. Alle 2 Sekunden gehen 2 Athleten ins Wasser. Um mich nun warm zu halten, lud die Musik dazu ein, sich etwas zu bewegen und etwas zu tanzen. So manche Videos zeigen mich nun tanzend bei den Backstreet Boys, Sketman John, oder anderen Interpreten.
Auf geht's ins Wasser. Ich habe mich nun 30 min davor gedrückt, jetzt muss ich mal langsam rein. PLATSCH. Los geht’s. Nicht zu schnell, ich hab noch einige Kilometer vor mir. 1,5 km in die eine Richtung. 300 m quer in die tief stehende Sonne und 2 km zurück. Das geht ganz gut. Die Wellen sind flach und stören nicht. Die Athleten schlagen auch nicht aus. So viel Respekt und Angst, doch nichts tritt ein. Ich orientiere mich zwischendurch und entspanne 50 m mit Brustschwimmen. Raus aus dem Wasser bin ich zufrieden und froh, dass ich es geschafft habe. Die Zeit war mir erstmal egal. Rauf aufs Rad und los. Es ist alles organisiert und die Zuschauer peitschen mich in die Wechselzone und wieder raus. Jeder Handgriff hat gesessen. Der Sprung aufs Rad wäre bestimmt verbesserungswürdig gewesen, aber zweitrangig.
Los geht's, durch den Tunnel zuerst. Das Tempo baut sich auf. Durch die Stadt ist etwas holprig und manchmal etwas eng. Es ist ein schnelles Race, was mich staunen lässt, was ich mit dem Rad schaffen kann. 37, 38, 39, 40,… wow. Es geht nicht mal Berg ab. Aber bestimmt habe ich Rückenwind.
Bei km 20 kommen mir die ersten Profis entgegen, und ich ahnte nicht, was mich später auf dem Deich erwartet. Polizei, Feuerwehr und Ordner, ein normales Bild, so dachte ich, ich als auf eine Unfallstelle zu fuhr. Wir sollten absteigen und über den Deich laufen, um 100 m weiter wieder weiterzufahren. Oje, was ist hier bloß passiert, dachte ich und sah das Chaos von oben. Ein kaputtes Motorrad, Einzelteile vom Fahrrad, ein Helikopter, Feuerwehr, Krankenwagen und viele Ordner. Es war ein Bild des Grauens. Ich konnte es mir nicht weiter ansehen und ging bloß schnell weiter. Konzentriert auf den Wettkampf fuhr ich fort. Auf der Rückstrecke wurden wir umgeleitet. Gut so, ich wollte es nicht nochmal sehen. Als wir dann bei der zweiten Runde dort vorbei kamen und absteigen musste, sah ich nur noch traurige Gesichter und einige defekte Teile eines Fahrrads. Es ist so traurig, dass so ein Unfall mit solchen Folgen endete. Mein Beileid, an dieser Stelle, an die Angehörigen und Freunde.
Weiter zur Wechselzone, der Abstieg vom Fahrrad erfolgte ohne Probleme, und viele gratulierten mir schon zu einer guten Zeit. Ich war mit ca. 6:30 h gut dabei. Jetzt muss nur noch das Laufen passen. Eigentlich meine beste Disziplin. Warum sollte es heute anders sein? Es kam wie es kommen musste. Es lief eigentlich gut, und ich startete mit meiner normalen ruhigen Pace von 4:45 min/km, doch schnell merkte ich, dass ich dieses sonst lockere Tempo heute nicht halten kann. 5 min, 5:10,5:30... Hauptsache durchkommen, dachte ich mir dann. Die letzte Runde eingeleitet, ein Weg mit Qual und Lustlosigkeit. Doch jeder einzelne Zuschauer schrieh meinen Namen und den Namen der anderen Athleten. Sie feierten uns, als wären wir die Gewinner des Rennens, sie schoben uns immer weiter voran. Danke, ohne euch würde ich dort immer noch spazieren gehen.
Der Weg in die Rundenkontrolle. Ich zeigte mit meiner Hand eine vier, alle jubelten, und das rote Bändchen wurde mir über den Arm gestreift. Fast eine Erlösung, denn es waren nur noch 2 km bis zum roten Teppich, bis zum Ziel. Ich bog in die Zielgerade ein und flog förmlich darüber, der rote Teppich hob mich von den Läufern ab, die noch eine Runde zu laufen hatten und ich war glücklich. Meine Freundin schrie sich ihre Lunge raus, und ich lief locker durchs Ziel. 10:35h – mein erster Langer Triathlon, mein erster IRONMAN.
Ich bin nun so stolz darauf, dass ich mich gequält und so viel erlebt habe. Danke an meinen Trainern Stephan, Moritz und Olaf für die tausend Trainingsstunden und Motivationsreden. Danke an die ganze Sisu Berlin Triathlongemeinschaft, die mir immer gut zugeredet haben, und danke an meine Familie, Freunde und Freundin, die das ganze Training so mit mir durchgezogen haben!