Ironman Kopenhagen 2019

von Hannes Wemme

Wer kennt sie nicht, die Anspannung, fast schon Angst vor der ersten Disziplin – dem Schwimmen. Bei mir ging die Angst schon 3 Tage vorher los. Nicht weil ich bald in die Ostsee springen sollte, sondern weil dies vielleicht nicht stattfinden würde: Es war Gewitter am Sonntag morgen angesagt, und somit bestand die Gefahr, dass meine erste Langdistanz ein längerer Duathlon werden sollte. Glücklicherweise haben sich die Vorhersagen nicht bewahrheitet und es wurde ein bewölkter Tag bei 18 Grad Wasser- und Lufttemperatur.

Nachdem ich am Vortag alles vorbereitet hatte: Bike-Check-In, Wechselbeutelabgabe für Rad, Laufen, special-need und eine letzte kleine Einheit zur Vorbereitung, war der Tag da, auf den ich so lange hingearbeitet hatte. Um 7:00 Uhr war die Einschwimmzone für mich begehbar und ich machte einige Züge. Vom Wasser aus verfolgte ich auch den Start der Profifrauen mit Anne Haug als Favoritin.

35 Minuten später startete auch ich ins Wasser und schwamm los. Obwohl meine Züge bewusst sehr ruhig waren, verging die Zeit bis zur 1800 m-Marke gefühlt sehr schnell. Kurze Zeit später befand ich mich auch schon im Feld der blauen Badekappen, die lange vor mir gestartet waren und eigentlich schneller sein müssten. Daraufhin hab ich den Beinschlag weggelassen und die meiste Zeit nur noch mit den Armen den Vortrieb erbracht. Dann die letzte Boje: geschätzt noch 250 m bis zum Schwimmausstieg. Die Beine wieder dazu geholt und etwas schnellere Zugfrequenz angeschlagen – ich kam aus dem Wasser, passierte die Markierung zur Wechselzone, und es stand 1 h und 7 min auf der Uhr. Überraschend gut, hatte ich doch mit 1:15 kalkuliert.

Ich schnappte mir den Radbeutel: dort hatte ich wegen Verdacht auf schlechtes Wetter neben Helm, Brille, Startnummer und Schuhen zusätzlich einen Windblocker, Armlinge, Handschuhe und ein Multituch eingepackt. Ich entschied mich noch im Wasser, nur den Windblocker zu nutzen, was sich im Nachhinein als sehr gute Entscheidung – auch auf er Laufstrecke – erweisen sollte. Der Wechsel an sich ging etwas zu lang, da ich mich mit dem Windblocker verhakt hatte. Im Sprint bin ich dann zum Rad gerannt und dann an der weißen Linie aufgestiegen.

Auch auf den ersten Radkilometern war ich schon wieder sehr schnell und bin mit knappen 40 km/h angefahren. Ich reduzierte sofort die Geschwindigkeit und kontrollierte den Puls: 140 Schläge. Also alles OK und genau im Soll. Ich bin dann bei gleicher Leistung so weitergefahren. Die Anfahrt zum Rundkurs quer durch Koppenhagen hat die Durchschnittszeit durch viele Kurven zwar nach unten gedrückt, im ersten Loop konnte ich das aber ohne Probleme aufholen. Den Puls hielt ich hierbei immer im Auge.

Ich überholte viele Athleten es kamen aber auch viele von hinten an. Die Verpflegung auf dem Rad lief sehr gut. Meine selbstgebackenen Riegel erfüllten vollends ihren Zweck, ohne dabei zu belasten – ich vertrage die fertigen Gels unter Belastung leider nicht. Kurz vor Ende des ersten Loops kam dann das größte Stimmungsnest auf der Radstrecke: ein Anstieg von ca. 500 m Länge mit einer nicht unerheblichen Steigung. Hier habe ich das erste mal wieder aufs kleine Blatt zurückgeschaltet. Oben angekommen lag mein Special-Need-Beutel schon bereit, und ich schnappte mir die zweite Ladung Riegel.

Dann ging es auf die zweite Runde. Immer noch war ich überraschend schnell unterwegs und hielt mich aber strikt an Puls und meinen Ernährungsplan. Ab der Hälfte der zweiten Runde bildete sich hinter mir eine Traube von ca. 20 Fahrern, die meine Geschwindigkeit immer mitgingen, egal ob ich langsamer oder schneller wurde. Überholen wollte mich aber niemand mehr. Mich hat das ziemlich genervt, schließlich war das kein Rennradrennen. Ich wusste, dass demnächst eine ca. 10 km Passage kommen würde mit engen Straßen und ständigem auf und ab. Ich hab die Geschwindigkeit deutlich rausgenommen, so dass die anderen Fahrer gezwungen waren zu überholen. Dabei schaute ich in die Gesichter: alle ziemlich am Ende. Beim ersten kleineren Anstieg bin ich dann wieder vorbei. Das Feld wollte kurz mit, konnten aber als Gruppe die Kurven nicht so gut nehmen. Nachdem ich die nicht mehr gesehen habe, bin ich wieder nach Plan gefahren. War eigentlich eine ziemliche Verschwendung von Energie, war es mir aber wert.

Das letzte Highlight der Radstrecke war noch einmal der 500 m-Anstieg. Dummerweise hab ich es verpennt, wieder aufs kleine Blatt zu wechseln, also bin ich in die Pedale stampfend den Berg mit einem viel zu großen Gang hoch. Dabei dröhnte das Intro-Riff von "Smoke under Water", was ziemlich gut gepasst hat mit meiner Trittfrequenz, außerdem hatte es grad leicht geregnet.

Der Rest der Strecke war unspektakulär. Kurz vor der Wechselzone raus aus den Schuhen, vorbei an den ersten Läufern auf der Laufstrecke, runter vom Rad und dies einem der Helfer übergeben und zum Wechselbeutel laufen. Schnell gewechselt und ab zum Laufen. Beim Übergang vom T2 auf die Laufstrecke stand 6:30 h auf der Uhr. Mir schoss sofort der Gedanke ich den Kopf: bei einem 3:30er Marathon könnte ich unter die 10 Stunden kommen. Ich horchte in mich rein: meine Fußgelenke taten etwas weh, aber ansonsten nichts Dramatisches. Hab kurz überlegt, ob ich das wirklich probieren will. die Antwort: JA!

Ich lief 4:30 min/km an, reduzierte schnell auf die angepeilte 5:00 Pace. Die ersten 5km liefen gut, an der 10 km Marke wurde schon enger, aber alles OK. Daraufhin beschloss ich, den Versuch Sub 10 h sein zu lassen und nach Gefühl zu laufen und speziell die Stimmungsnester in der Mitte des 10 km Rundkurses zu genießen. Schließlich war das Hauptziel Finishen, Bestzeiten sind für spätere Langdistanzen... Ich hatte auch hier mein eigenes, selbstgemachtes Gel aus Maltodextrin mit, das ich bis ca. km 25 max. km 30 nehmen konnte. Immer wieder kontrollierte ich auch Haltung, Puls und Schrittfrequenz und lenkte mich den Rest der Zeit mit einfachen Rechenaufgaben ab oder suchte meine Freundin am Streckenrand. Wenn ich sie gesehen hab, gab es ein kleines Küsschen.

Bei 30 km wurde es dann eng, und ich erwartete jederzeit den berühmten Hammer. Dann kam auch noch ein kurzer Platzregen mit heftigem Seitenwind. Egal, einfach durch. Ich zählte die Kilometer schon seit der HM-Marke rückwärts. Bei 7 Rest-km wechselte ich auf Cola, was noch einmal einen kleinen Push brachte. Dann noch wenige Meter bis zum Zieleinlauf. Meine Freundin bekam einen letzten Kuss als Non-Ironman auf der Zielgeraden. Dann Brille abnehmen, Nummernband abmachen und bei der Zielüberschreitung nach oben reißen. Resultat: 10:24 h und 1 Sekunde. Mit 1:07 h Schwimmen, 5:10 h Rad, 3:54 h Laufsplit ein überraschend schnelles Rennen. Dem Mann mit dem Hammer bin ich um nur weniger Meter entgangen.

 


© TriGe Sisu Berlin; 12.9.2019