Ironman Lake Placid 28.7.2019

von Daniel Schulze

"Lake Placid – haben da nicht schon mal die Olympische Winterspiele stattgefunden?" – Das war eine der häufigen Reaktionen, die mir begegneten, als ich im Frühjahr davon erzählte, wo ich im Sommer meine zweite Langdistanz starten möchte. Schon damals hätte mir das ja zu denken geben können, ist es doch ein klares Indiz auf den einen oder anderen Höhenmeter. Genau genommen haben die Spiele dort sogar schon zwei Mal stattgefunden. Meine Kriterien, genau dort teilzunehmen, waren allerdings völlig andere: Ich wollte die Veranstaltung mit einem Besuch des Cousins meiner Mutter und seiner Familie in Pennsylvania verbinden. Da lag Lake Placid erst mal terminlich spitze und eine Autoentfernung von unter 7 Stunden ist für amerikanische Verhältnisse ja auch direkt um die Ecke! Die Vorstellung meiner Pläne stieß bei meinen sportbegeisterten Verwandten sofort auf offene Ohren. Nicht nur war schnell klar, dass die ganze Familie mich dorthin begleiten würde. Mein Onkel bot mir sogar an, sein Kuota-Triathlonrad auf Vordermann zu bringen – Ein attraktives Angebot, das mir die Chance gab, mal ein Vollblut-Zeitfahrrad zu fahren und mir den Umstand des Radtransportes mit dem Flieger sparte. Auch meine Mutter hängte sich schnell mit ein und so hatte ich ein Supportteam von stolzen 5 Leuten. Eine tolle mentale und logistische Unterstützung!

Nach meiner Ankunft in den USA hatte ich eine knappe Woche Zeit, das Rad auf mich einzustellen und damit vertraut zu werden. Es wird sicher nicht umsonst davon abgeraten, ein fremdes Rad für eine Langdistanz zu nutzen – allerdings hatte ich nie viel Zeit mit Bikefitting verbracht und mich immer schnell auf neuen Rädern eingewöhnt. So war es auch diesmal und schon nach der zweiten Testfahrt hatte ich meine Einstellungen gefunden.

So ging es also nach wenigen Tagen in das nördliche New York nach Lake Placid. Wir hatten viel Zeit mitgebracht und in acht Meilen Entfernung in Sarranac Lake ein tolles Ferienhaus direkt am See gemietet. Die Vorbereitungen im Vorfeld der Veranstaltung lösten sich mit touristischen Unternehmungen ab: Abholung der Startunterlagen, Gipfelbesuch des Whiteface Mountain mit tollem Blick in die Umgebung, Begutachtung der Ski-Sprungschanzen, Athleten-Briefing, Testschwimmen/Baden im See, Besuch des Olympischen Museums und natürlich der Bike-Checkin. Eine Testfahrt der Radstrecke hatte ich mir auch nicht nehmen lassen. Neben der phantastischen Landschaft war diese auch aus sportlicher Hinsicht attraktiv: Keine zu steile Steigungen oder Gefälle und ein ausgezeichneter Straßenbelag. Das machte Mut für das Rennen! Als Gesamtzeit hatte ich mir vorgenommen, unter 11 Stunden zu bleiben. Das war mir schon im Vorjahr in Zürich gut geglückt, und ich war zuversichtlich, die anspruchsvollere Strecke durch das bessere Training ausgleichen zu können.

Die Tage plätscherten in guter Urlaubsmanier dahin und schon war der große Tag da! Eine richtige Aufregung hatte sich nicht einstellen wollen und auch die Nacht davor hatte ich wunderbar geschlafen. Ein schlechtes Zeichen? Der Wecker klingelte kurz vor vier. Schnell angezogen, gefrühstückt, Beutel gepackt und los ging's ins Zentrum von Lake Placid. Ich hatte jede Menge Zeit, nochmal die Wechselzone zu besuchen um alle Beutel, Rad und Reifendruck zu kontrollieren.

Mit Erleichterung nahm ich auch die Neo-Freigabe zur Kenntnis. Gemütlich ging ich an den Mirror Lake, wo das Schwimmen stattfinden sollte. Dieser liegt direkt am Zentrum des Ortes Lake Placid, im Gegensatz zum gleichnamigen See. Das Wetter war gut und entgegen der ersten Befürchtungen der Vortage hatte sich auch kein Gewitter aufgetan. Nach und nach füllte sich das Seeufer mit Teilnehmern und Zuschauern und am Schluss musste ich mich doch etwas beeilen den Neo anzuziehen und – während um mich herum die Nationalhymne gesungen wurde – mich in die Nähe meines Starterfeldes entsprechend meiner anvisierten Schwimmzeit zu wühlen. Schon hörte ich den Start und im Pulk bewegte ich mich langsam zur Startlinie. Nochmal High-Five mit Mike Reilly, der Stimme von Ironman, Brille aufgesetzt und ab ins Wasser! Es werden zwei Runden mit einem kurzen Landgang dazwischen absolviert. Perfekte Temperatur, klares und glattes Wasser – gute Voraussetzungen also. Und obwohl es auf den ersten paar Hundert Metern etwas eng war, hatte ich recht schnell meinen Rhythmus gefunden. Nach meiner Wunschzeit von knapp unter 2 Minuten pro 100 m kam ich aus dem Wasser und ließ mich von zwei Helfern aus dem Neo schälen – eine Hilfe die ich aus anderen Rennen noch nicht kannte.

Die meiste Zeit in der Wechselzone habe ich wahrscheinlich mit einem gewissenhaften Auftragen der Sonnencreme verbracht. Aber dann war ich endlich auf der Radstrecke. Im Gegensatz zum Schwimmen ist das eher mein Element und hoch motiviert rollte ich los. Das Wetter spielte mit, ich saß auf einem super Fahrrad, die Strecke war trocken und ich fühlte mich fit. Entsprechend schnell fuhr ich die erste der beiden Radrunden. Die Steigungen nahm ich gut mit, allerdings war mir schnell klar, dass ich das Tempo nicht würde halten können. Also einen Gang zurückschalten und ein etwas gemäßigteres Tempo fahren. In der Zwischenzeit hatte der Wind etwas aufgefrischt und kam auf dem letzten Abschnitt genau von vorne.

Ich kämpfte mich bis etwa Kilometer 160 durch, wo die letzte längere Steigung beginnt – und da waren sie nun also doch, die verflixten Höhenmeter! Meine Beine fingen an zu krampfen, und ich musste mir eingestehen, dass ich die Sache doch deutlich zu schnell angegangen war. Zu diesem Zeitpunkt war mir auch klar, dass das mit meiner Wunschzeit heute wohl nichts werden wird. Jetzt hieß es also wirklich, Druck von den Pedalen zu nehmen und vorsichtig jegliche unbedachte Bewegung und Krämpfe zu vermeiden! Die mühsam erarbeitenden Plätze zogen an mir vorbei. Froh kam ich in die Wechselzone und freute mich darauf, das Fahrrad gegen meine Laufschuhe tauschen zu können. Gerade im Laufen hatte ich die letzten Monate die meisten Fortschritte gemacht und hoffte, trotz allem einen gemäßigten aber flüssigen Marathon durchlaufen zu können.

Auch die Lauftrecke geht über zwei Runden und hat ebenfalls einige Höhenmeter zu bieten, die sich auf ein paar knackige Steigungen verteilen. Gleich zu Anfang geht es etwa 200 m recht steil durch den Ort abwärts. Frisch vom Rad und noch auf etwas wackeligen Beinen muss man hier schon etwas aufpassen. Die Laufstrecke wird in beide Richtungen über zwei U-Turns durchlaufen. Bei zwei Runden also vier Gelegenheiten, sich vom Begleiterteam anfeuern zu lassen – zu diesem Zeitpunkt des Rennens eine willkommene Hilfe! Auch hier verlief die erste Runde wieder recht problemlos. Nachdem ich dann zur zweiten Runde den steilen Abschnitt bergab gelaufen war, wurde mir aber klar, dass es wohl noch sehr schwer werden würde. Die Luft war raus und ich musste meinem hohen Radtempo Tribut zollen. Mein zweites Ziel, neben einer guten Zeit wenigstens in einem gleichmäßigen Lauf durchzukommen, musste ich also auch aufgeben. Ich wechselte zwischen Laufen und Gehen und visierte mein drittes und wichtigstes Ziel an: Trotzdem Spaß haben! Nun ja, das ist vielleicht nicht genau die Formulierung, die man noch während des Rennens nutzen würde, sollte dem aber zumindest nahe kommen.

Tatsächlich befand ich mich aber auch gehend in guter Gesellschaft und an manchen Abschnitten waren wir deutlich in der Überzahl. Trotz des langsameren Tempos kam mir die Strecke zum abgelegenen U-Turn nicht länger vor. Gemeinsam mit anderen Leidensgenossen konnte man sich zwischendurch wieder zu ein paar Laufschritten motivieren. Ohnehin war der größte Teil geschafft, so dass das Ziel schon in realistischer Reichweite lag. Meine Rennsituation und die neuen Ziele hatte ich längst akzeptiert und spätestens beim letzten Einlauf in den Ort war die Stimmung auf dem Höhepunkt. Nochmal die Zähne zusammen beißen und die letzten Meter durch das Zentrum auf die Ziellinie einbiegen. "You are an Ironman!" ausgerufen von Mike Reilly war ein schöner Abschluss. Und tatsächlich hatte ich schon jetzt ein Grinsen auf den Lippen und die Veranstaltung als positives Erlebnis verbucht!

Mit einer Zielzeit von 11:44:19 war ich zwar deutlich langsamer als im Vorjahr in Zürich, aber in der Platzierung in meiner Altersklasse fast genau so weit vorne. So schlecht konnte es also doch nicht gewesen sein. Abschließend würde ich sagen: Es war eine super Veranstaltung in einem tollen Ort in wunderschöner Umgebung! Absolut empfehlenswert! Für meine nächsten Rennen habe ich hoffentlich viel gelernt und freue mich schon auf das nächste Jahr: Roth 2020 ist bereits gemeldet!

Last but not least: Thank you Lauren, Albert, Caleigh, Julia and Doris for all your support and spending your time with me in Lake Placid! It was much fun with you and meant a lot to me!!

 


© TriGe Sisu Berlin; 19.8.2019