Über den Sinn klassischer Schnellspanner

von Dirk Bettge

Der klassische Schnellspanner der Laufräder ist eins der am meisten unterschätzten Teile am Rennrad. Mit etwas Glück sind bei neuen Fahrrädern oder einzelnen Laufrädern gute Schnellspanner dabei, aber in vielen Fällen ist das nicht der Fall. Macht das was? Ich denke schon.

Der "klassische" Schnellspanner, wie er vor Einführung der Scheibenbremse an praktisch allen Rennrädern zu finden war, wurde nach allem, was man so liest, 1930 von Tullio Campagnolo patentiert und dann von seiner Firma produziert. Er war selbst Rennfahrer und hatte sich offenbar über die damals üblichen Flügelmuttern geärgert. Der neue Schnellspanner machte es möglich, Laufräder mit einem einzigen Griff zu befestigen und zu lösen. Das Prinzip war vermutlich bereits damals nicht komplett neu, man findet auch heute im allgemeinen Maschinenbau sog. Exzenterhebel und Spannriegel, die alle auf demselben Prinzip beruhen und eine werkzeuglose und verdrehfreie Klemmung ermöglichen.

In Bild oben links seht ihr die Laufräder einer Zeitfahrmaschine mit Felgenbremsen und Schnellspannern. Um das Prinzip zu verstehen, sieht man sich besser einen Schnellspanner mit freiliegendem Exzenter an wie im Bild oben rechts. Der Schnellspanner wird durch die hohle Achse des Laufrads geschoben und klemmt von außen die Gabel bzw. Ausfallenden und die Achse der Nabe zusammen. Das runde Ende des Spannhebels läuft in der konkaven Rundung der Spannmutter. Dieses runde Ende hat eine vriable (exzentrische!) Wanddicke. Beim Schließen des Hebels wird daher die Spannmutter nach innen gedrückt. Am Ende ist die Wanddicke noch ein Stück lang konstant oder nimmt ganz leicht wieder ab, so dass sich der Hebel im Betrieb nicht von selbst wieder öffnet.

Der oben rechts zur Erklärung gezeigte Hebel ist zwar simpel und einleuchtend (und funktioniert auch), aber er ist nicht optimal. Er hat einen zentralen Hebel mit außenliegender Klemmung, hat daher wenig Bauteile, ist deshalb billig und häufig anzutreffen. Besser sind aber Schnellspanner mit innenliegender Mechanik und seitlich liegendem Spannhebel wie im Bild oben links. Darauf gehe ich gleich noch ein. In welcher Position sollte man den Schnellspanner befestigen? Dies ist ja nicht konstruktiv vorgegeben:

Die klassische Soll-Position ist diejenige in den Fotos oben links und mitte. Alle anderen Positionen sind zwar möglich, aber nicht sinnvoll oder sogar verboten. Warum? Der Schnellspanner soll einerseits beim Öffnen gut zu greifen sein, anderseits aber möglichst wenig von der Gabel abstehen. Ein abstehender Schnellspanner (wie oben rechts) kann im Gedränge eines Radrennens zum Einhaken eines Mitfahrers führen und ist bei Stürzen eine potentielle zusätzlich Gefahr. Auch bei Triathlon-Wettkämpfen soll daher beim Check-In auf die korrekte Position geachtet werden, was auch oft stattfindet, die meisten werden das bereits erlebt haben. In der Montageposition parallel zur Gabel sind die genannten Anforderungen erfüllt, und aerodynamisch günstig ist es sogar auch – jedenfalls bei diesem klassischen Schnellspanner mit seitlichem Hebel. Bei einem Schnellspanner mit zentralem Hebel sieht das anders aus:

In der Position parallel zur Gabel ist er schwierig zu greifen. Wenn man ihn soweit verdreht, dass man ihn gut greifen kann, steht er aber umso weiter ab, je besser er zu greifen sein soll. Am Hinterrad ist die Situation ähnlich:

Die optimale Position ist ebenfalls parallel zum Ausfallende – das ist im Bild oben links dargestellt. Der Spannhebel lässt sich in dieser Lage gut greifen und steht nicht ab. Wenn man ihn wie im rechten Bild so dreht, dass er in das Rahmendreieck hinein zeigt, dann steht er zwar nicht ab, ist aber nur am Ende zu greifen. Nach hinten abstehen darf er laut Reglement gar nicht. Bei einem Schnellspanner mit zentralem Hebel sieht es am Hinterrad folgendermaßen aus:

Wirklich gut zu greifen ist der Spannhebel hier nur in der verbotenen Position im Bild oben rechts. In den erlaubten Positionen links und Mitte ist er nicht wirklich gut zu greifen. Hinzu kommen weitere Unterschiede:

Der innenliegende Exzenter (links) führt zu geringeren Bedienkräften für die notwendige Klemmkraft, weil hier Stahl auf Stahl gleitet, die Kontaktfläche außerdem geschmiert und vor Umwelteinflüssen recht gut geschützt ist. Die Bauhöhe ist meist auch geringer. Bei den meisten offenen Konstruktionen (rechts) gleitet ein lackierter Alu-Hebel auf Kunststoff. Dies führt zu erheblichen Losreißkräften (Haftreibung), die das Öffnen eines ausreichend stark geklemmten Schnellspanners erschweren. Im Wettkampf mit Hektik und vielleicht kalten Händen kann das erhebliche Probleme bereiten.

Was ist mit Leichtbau? Damit wäre ich bei Schnellspannern äußerst vorsichtig. Die klassischen Schnellspanner wie die gezeigten Ultegra-Hebel wiegen als Paar ca. 110 Gramm. Die Achse, die Exzenter-Mechanik und die Mutter auf der Gegenseite sind alle aus Stahl, nur der Hebel, das Exzenter-Gehäuse und das Muttergehäuse auf der Gegenseite sind aus Aluminium. Es gibt ein große Anzahl an Leichtbau-Schnellspannern, die meist Stahl durch Titan oder sogar Aluminium ersetzen und außerdem die Bauteile kleiner machen. Das kann halten, muss aber nicht:

Im gezeigten Fall war der Regionalliga-Wettkampf damit beendet und ein längerer Fußmarsch zurück zur Wechselzone fällig. Es gilt bei Schnellspannern wie bei den meisten anderen Dingen "Leicht – haltbar – billig : wähle zwei von drei". Seriöser Leichtbau ist teuer, Finger weg von billigen Tuningteilen! Die großen Serienhersteller bieten aus gutem Grund keine Leichtbau-Schnellspanner an.

Was ich damit sagen will ist, dass es definitiv Sinn macht, vernünftige (stabile und ergonomische) Schnellspanner nachzurüsten, wenn solche nicht verbaut sind. Die hier als Beispiel gezeigten Shimano Ultegra-Schnellspanner sind einzeln lieferbar und kosten ca. 15 Euro pro Stück. Wer schöne Formen und Oberflächen liebt, findet für den doppelten Preis vielleicht noch diesen Dura-Ace 9000-Schnellspanner im Netz:

Literatur

 


© TriGe Sisu Berlin; 18.7.2020