Triathlon Ingol"statt" 24.5.2020

von Denise Kottwitz

In diesem Jahr sollte die Triathlonsaison mit einer olympischen Distanz beim Triahtlon Ingolstadt starten. Ich kenne diesen Wettkampf noch nicht, aber der Sonntag des Himmelfahrtswochenende ließe sich mit einem längeren Aufenthalt verbinden und so die Anreise rechtfertigen. Die Absage des Wettkampfs war schon erwartet und kam Ende März per email. Der Veranstalter regelt es so, dass die Hälfte des Startgeldes zurück erstattet wird und das man Finisher-Packet mit Medaille und Radtrikot später zugeschickt bekommt. Die Präsente sollen "uns alle an diese außergewöhnliche Zeit erinnern". Die Regelung finde ich in Ordnung. Aber ein Finisher Präsent ohne Finish??? Das geht nicht. Und wie soll die Erinnerung an die "außergewöhnliche Zeit" aussehen? Ärger über ein schlechtes Fernsehprogramm statt der Freude beim Schwimmen es mal wieder geschafft zu haben an Micha dran zu bleiben? Erfolge beim Lauftraining als langweile Zahlen auf der Uhr statt Hartmuts motivierenden Worten. Oder an einen leergefegte Kalender ohne Trainingsverabredungen. Nein, keine schöne Erinnerung – also ist es klar: ein Triathlon muss her. Also mache ich meinen eigenen.

Mein Mann wird kurzerhand als Wechselzonenorganisator bestimmt, eine geeignete Strecke ist schnell ausgedacht und meine Lauffreundin Anja arrangiere ich, mich über die dritte Disziplin zu ziehen. Aus logistischen Gründen ziehe ich den Wettkampf eine Woche vor: ich befürchte zu viel Verkehr am Feiertagswochenende und es stand nach dem Halbmarathon am Partwitzer See sowie so eine Trainingsruhewoche an. Leider fällt nun das Datum in die Woche der Eisheiligen...

Wie bei einem richtigen Wettkampf bereite ich mich mit einer kurzen Einheit am Vortag vor, packe alle Sachen, gehe pünktlich schlafen. Der Morgen verläuft sehr routiniert. Es ist ja auch kein Stress, denn gestartet wird, wenn ich bereit bin. Dann schlüpfe ich in den Triatloneinteiler. Was für ein Gefühl! Ich bin hellwach, aufgeregt, es geht los. Wir fahren zum Partwitzer See. Das Thermometer zeigt 12 Grad. Lufttemperatur. Wasser weiß ich nicht, will ich nicht wissen. Der Kopf spielt sonst sicher ein Schnäppchen. Der Plan ist 1500 m zu schwimmen, wenn es die Kälte zu lässt.

Schnell die Wechselzone eingerichtet, Neo an und ab ins Wasser. Wassertemperatur kalt, sehr kalt. Zurück an den Strand. Ich mache meinen eigenen Start in dem ich die Arme von der Seite anhebe und nach oben abklatsche. Uhr starten, rein rennen, los schwimmen. Sofortige Gesichtslähmung und Schmerzen in den Händen. Kenne ich von einigen Schwimmversuchen in den letzten Wochen – geht vorbei, so auch dieses mal nach ein paar Minuten. Ich schwimme Ufer nah die Bucht entlang soweit es geht, bei der Wende schaue ich auf die Uhr: etwa 380 Meter. Also zum Start zurück, wo heute praktischerweise zur Orientierung ein Boot steht. 770 Meter. Perfekt, noch einmal hin und her. Frieren tue ich nicht. Ich schwimme aber regelwidrig mit Neoprensocken – sonst wäre es sicher nicht auszuhalten. Ich genieße es teilweise sogar. Tempo ist mir völlig egal. Zurück am Boot sind es 1400 Meter. Also noch mal kurz hin und zurück und dann raus. 28 Minuten. Keine Wertung, Ziel war es die Distanz zu bewältigen. Wechsel geht super, außer die dicken Socken ziehen sich schwer an – müssen aber sein.

Schnell von meinem Mann verabschiedet und los geht's. Der Fahrtwind ist echt frostig, meine Hände sind krebsrot. Solange sie nicht blau oder schwarz sind ist ja alles in Ordnung. Ich habe auch noch Handschuhe im Trikot, brauche ich aber nicht. Schon nach wenigen Minuten bin ich trocken gepustet und es frösteln nur noch die Füße. Der erste Teil der Strecke geht auf dem Radweg entlang des Sees. Es ist zum Glück sehr leer. Dann geht es durch zwei Ortschaften, viel mit Gegenwind. Ein gutes Viertel der Strecke ist geschafft, da schaue ich mal was mein virtueller Gegner macht, den ich auf ein Tempo von 32 km/h gesetzt habe. 1min20 dahinter als ich auf die freie Tagebaustraße komme. Ich trete rein und komme immer näher, noch 20 Sekunden. Dann steht mir ein Hügel im Weg, anschließend ein Stück schlechtere Straße. Und schwupp – über 3 Minuten Rückstand. Ich komme auf die Straße, die Teil des Spremberger Volkstriathlons ist und bekomme sogar Rückenwind, so dass ich noch mal angreife. Am Ende bin ich wieder auf 20 Sekunden ran, Kurve, Anstieg, wieder 1 min. Cool, voll im Wettkampfmodus. Ich habe noch eine Wendepunktstrecke von insgesamt etwa 6 Kilometern zu bewältigen. Leicht profiliert und kurvig, so dass der Wind immer mal wieder von allen Seiten kommt. Aber ich komme nicht näher als 20 Sekunden ran! Auf der Einfahrt nach Spremberg gebe ich das Ziel auf, wichtiger ist jetzt noch mal Nahrung auf nehmen und auf den Verkehr achten. Ich komme nach 40,1 Kilometer in der Wechselzone an. Gut geplant.

Anja wartet schon auf mich und wir spurten nach erfolgreichem Wechsel los. Viel zu schnell, aber es fühlt sich so toll an, dass ich nicht ablassen will. Ansage war, dass Anja mich zwischen 4:45-5:00er Schnitt ziehen soll. Das schnellere halte ich in Anbetracht des fehlenden Bahntrainings und ohne Startnummer schon als sehr ambitioniert. Aber die ersten 3 Kilometer zeigen eine 4:30! Dann wird es langsamer, aber nicht wesentlich. Wir drehen nach 5 Kilometern um, Versorgung erfolgt in Eigenregie – Gel und Trinkflasche habe ich im Trikot dabei. Auf dem Rückweg muss ich ganz schön kämpfen, Anja ist immer ein ganzes Stück vor mir. Wenn sie jetzt Konkurrentin wär, könnte ich sicher noch einiges mehr rausholen. Die Beine sind ganz schön schwer, aber der Wille ist da auch mit hohem Tempo weiterzulaufen. Auf dem letzten Kilometer geht es statt Schotterweg noch mal auf Asphalt, und wir können das Tempo noch mal anziehen. Ziel Einlauf, Hände hoch. Kein Applaus, keine Ansage. Wir haben eine 4:44 geschafft. Wie gern würde ich Anja jetzt fest drücken! Ein verbaler Dank muss diesmal ausreichen.

Mein erster eigener Triathlon – mit fast so viel Adrenalin, Freude und Leistung wie bei einem Wettkampf mit und gegen andere. Jetzt warte ich auf Post, denn die Finisher Medaille habe ich mir verdient und kann sie jetzt auf jeden Fall mit einer "außergewöhnlichen Erinnerung" verknüpfen.

 


© TriGe Sisu Berlin; 27.5.2020