Herbst 2020

von Dirk Bettge

Wieder ist ein Vierteljahr um, gerade war Tag-und-Nacht-Gleiche, Herbstanfang. Seit nunmehr einem halben Jahr (am 13.3. wurden die Sportstätten geschlossen) schlagen wir uns mit einem überaus anhänglichen kleinen Virus herum. Die Sommersaison ist vorüber, ein paar Wettkämpfe haben doch noch stattgefunden, und wir schwimmen sogar wieder in der Halle. Aber vorbei ist anders – Zeit für eine weitere Zwischenbilanz und einen vorsichtigen Ausblick.

Das letzte halbe Jahr hat uns gezeigt, dass es so etwas wie "richtig" oder "falsch" im Grunde nicht gibt. Wenn ich eines in den letzten 50 Jahren gelernt habe, dann dies, nämlich dass es in der realen Welt nie "weiß" oder "schwarz" gibt, sondern jede Menge Grautöne, die nicht immer so einfach unterscheidbar sind. Schon bei der Zwischenbilanz zu Mittsommer war klar, dass die ganze Misere längst nicht vorbei ist, aber es war noch nicht klar, was in den kommenden Monaten trotzdem möglich sein würde und was nicht.

Seitdem haben die Schulen und Kindergärten komplett wieder geöffnet (was lange undenkbar schien), und das hat zu keiner Katastrophe geführt, das ist schonmal gut. Zu Mittsommer hatten wir das Infektionsgeschehen fast komplett gestoppt, aber eben nur fast. Dann gab es da den "Tönnies-Peak" und unabhängig davon die Frage, ob es zu einer zweiten Welle kommen würde. Die ist jetzt da, und wir sind wieder in einem Anstieg, aber der ist flacher als im März. Vor allem aber gibt es viel weniger Opfer zu beklagen. Aber ihr wisst ja, die Sache mit der Exponentialfunktion – die geht langsam los und wird immer steiler. Doch vielleicht liegt die Realität irgendwo zwischen linear und exponentiell – grau eben.

Zu Mittsommer war auch noch nicht klar, ob in 2020 überhaupt noch Triathlons stattfinden würden. Alle wirklich großen kommerziellen Veranstaltungen (z.B. die Ironmen in Frankfurt und Hamburg) wurden abgesagt, und auch alle lokalen Triathlons bis Ende August wurden ausnahmslos abgesagt, darunter der BerlinMan und unser Kallinchen-Tri. Ich halte dies nachwievor für eine verantwortungsvolle Entscheidung. Ein paar Ausrichter hofften, dass die im September wieder eine Chance hätten – und die bekamen sie. Der verschobene Berlin-Tri, Erkner und F60 sowie der verschobene Spreewald-Duathlon haben mittlerweile stattgefunden und haben, soweit das ersichtlich ist, keine Corona-Hotspots erzeugt. War nun das eine richtig und das andere falsch? Hätte man auch die durchgeführten Wettkämpfe absagen sollen? Oder hätten weitere Wettkämpfe in den Herbst verschoben werden sollen? Ich denke, weder noch, alles Graubereich.

Durch die vielen Absagen haben wir eine ruhige Saison verbracht, alles nicht so ernst gesehen und uns in vielen Dingen zurückgehalten. Aber die Zeit wird allmählich lang. Dass doch noch ein paar Wettkämpfe abgehalten wurden, hat uns neue Hoffnung gegeben und für viele Triathleten zu einem versöhnlichen Saisonabschluss geführt. Nach dem absolvierten Spreewald-Duathlon war ich wirklich sehr gerührt. Ist unser Tun verantwortungsvoll? Ich weiß es nicht, aber ich glaube, dass auch Hoffnung wichtig ist.

Was bringt der Herbst? Langes Draußensitzen und großzügiges Lüften von Räumen wird bald nicht mehr so gemütlich sein. Die Seen werden wieder kälter, und ausgedehnte Feierabendrunden mit dem Rennrad scheitern wie auch abendliches Freiwasserschwimmen an früher Dunkelheit. Es wird Zeit, wieder an der Lauf-Grundlage zu arbeiten, ab und zu zum Schwimmen zu gehen und am Wochenende im Gelände zu fahren. Aber wie sicher ist das Erreichte? Ich will ja nicht zu schwarz sehen, aber zwei Dinge sind beunruhigend: Die pure Anzahl der nachgewiesenen Corona-Fälle ist zwar kein Argument an sich, aber was ist, wenn es wieder in den Altenheimen losgeht und sich die Krankenhäuser füllen? Dann könnte es sein, dass auch der Freizeitsport wieder eingeschränkt wird.

Und dann – ein Unglück kommt selten allein – ist da noch die Sache mit der Schweinepest, die nach Jahren langsamer Ausbreitung ausgerechnet jetzt die Oder überquert hat. Die Seuche ist offenbar für Menschen ungefährlich, aber soll möglichst nicht verbreitet werden. Was passiert, wenn im Grunewald die ersten infizierten Wildschweine aufgefunden werden – dürfen wir dann nicht mehr in den Wald? Würden wir uns daran halten?

Vielen Menschen geht es nicht gut bei der ganzen Sache. Die meisten versuchen, tapfer durchzuhalten, aber was nicht normal ist, wird nicht normal. Einige beschleicht ein Gefühl von Sinnlosigkeit oder zeitweiliger Depression. Dann möchte man einfache Lösungen haben und das möglichst schnell. Das Problem mit den Grautönen ist leider, dass es keine einfachen Antworten und Lösungen gibt und keinen Masterplan. Einfach alles leugnen und durch? Halte ich für keine gute Idee. Ein Lockdown, bis genug Impfstoff da ist? Halten wir nicht durch. Also lavieren wir weiter, aber genau deshalb sind Perspektiven wichtig.

Ich stelle mir das folgendermaßen vor: Ab dem Winter können erste Risikogruppen und Berufsgruppen geimpft werden. Es wird nicht perfekt sein, aber aber es wird helfen. Im Laufe des Jahres stehen dann hoffentlich mehr und bessere Impfstoffe zur Verfügung. Vermutlich wird es keine dauerhafte Immunität geben, daher werden irgendwann in ein paar Jahren alle empfohlenen Gruppen gegen Corona und Grippe gleich im Doppelpack geimpft. Das ist wie gesagt nur meine ganz private Hypothese.

Jedenfalls planen wir für 2021 unsere Wettkämpfe: Der Sisu-Winterduathlon Ende Februar wird noch unter Corona-Bedingungen stattfinden, aber das kriegen wir hin. Für Kallinchen Ende August 2021 werden wir uns ein geändertes Konzept überlegen müssen. Massenveranstaltungen wie SCC-Halbmarathon im April oder der Marathon Ende September werden auch 2021 noch problematisch sein. Hoffen wir das Beste!

 


© TriGe Sisu Berlin; 28.9.2020