von Denise Kottwitz
Die Starterliste des diesjährigen Spreewaldtriathlons verspricht mal wieder ein großes Sisu-Fest. Und siehe da, im Vergleich zu den Vorjahren leuchten mir nach Ankunft überall schwarz-rot-weiße Shirts entgegen. Da ich heute sehr pünktlich bin und noch einen Parkplatz direkt neben Wechselzone ergattere, kann ich es entspannt angehen lassen und jedes "Hallo wie gehts"-Gespräch mitnehmen. Das Fahrrad kann ich auch direkt am Auto vorbereiten und alles Unnötige wie das Duschzeug und Notfallequipment im Auto lassen.
In der Wechselzone gesellt sich Jörg zu mir. Nach 20 Monaten Triathlonabstinenz wagt er gleich den Einstieg auf die Mitteldistanz. Wir wetteifern beide über unsere Wechselmatte: Handgemachter Berberteppich besticht leuchtendes Grün. Dann schreitet die Zeit doch voran und ich muss mich fast beeilen, da mich Yvonne, Paula und Klaus wohl für besonders kompetent halten und mich noch mit vielen Fragen zu Wechsel und Co löchern. Aber da später alles gut klappt, haben meine Auskünfte wohl geholfen.
Nun aber schnell umziehen, ein paar Meter laufen und gucken, ob die Schuhe noch passen, rein in den Neo und ab zum Wasser. Rado nimmt es locker und kommt jetzt erst an... Er steht dann aber pünktlich zum Start neben mir, mit dem großen Vorsatz, meinen Wasserschatten zu nutzen. Wobei Daniel mit gefühlt doppelter Körpergröße diesen Service auch anbietet. Mit etwas ungutem Gefühl, möglicherweise gleich überrannt zu werden, stelle ich mich mutig neben Daniel in die erste Reihe.
Startschuss und beherzt geht es in die Tiefen. Ich kann sofort super losschwimmen, muss niemandem ausweichen und kann schon nach wenigen Zügen zur Dreieratmung übergehen. Rado hat sich vertan und ist vor mir, an der ersten Boje verliere ich ihn aber. In einer kleinen Gruppe kann ich das Schwimmen in vollen Zügen genießen und schon ist die erste Runde rum. Nach dem Landgang sind alle um mich rum weg. Also orientiere ich mich nach vorn, hole noch ein paar Schwimmer ein und kann mich entspannt auf Technik und Atmung konzentrieren. Auch die dritte Runde habe ich für mich allein, kann weiter vorn eine größere Gruppe ausmachen, der ich zwar noch etwas näher komme, aber natürlich nicht mehr erreiche. Zurück an Land blinzele ich auf die Uhr, 36 min steht da. Wow, drei Minuten schneller als im letzten Jahr. Wobei man ja Zeiten vom Freiwasser nie vergleichen kann.
Christopher ruft mir Platzierung und Zeit hinterher. Wenig später sehe ich jubelnd Merle und David. In der Wechselzone kämpft Daniel beim Umziehen. Moment, wenn Daniel noch da ist, muss das Schwimmen wirklich gut gewesen sein. Ich überwechsle ihn, muss aber registrieren, dass sich ein Schuh gelöst hat. Komme zwar gut aufs Rad, habe aber mehr Dreck als geplant mitgenommen und so das Anziehen der Schuhe doch länger braucht. Das kann Daniel nur mit einem blöden Spruch kommentieren und weg ist er.
Ich konzentriere mich erstmal darauf, Treibstoff nachzutanken und gut in Tritt zu kommen. Fühlt sich saulangsam an, wenn man auf gleicher Strecke erst vor drei Wochen am Duathlon über die halbe Strecke teilgenommen hat. In einem der nächsten Orte überholt mich der Präsident mit einem "Denise, saustark geschwommen." Ich freue mich über Martins Kompliment, das war wohl doch richtig gut. Auf dem Rad warte ich noch auf das richtig gut. Irgendwie finde ich keinen Rhythmus, mal geht es besser, mal geht es schlechter. Da mich nur selten jemand überholt, rollt es wohl besser, als es sich anfühlt. Rado überholt mit einem freudigen Lächeln irgendwann, und nach der Hälfte der Runde Anja, was ja zu erwarten war. Irgendwann kommt noch Klaus vorbei, dann passiert auf der ersten Runde nichts mehr. Mal geht es besser, mal geht es schlechter.
An der Wechselzone ist ganz gut Stimmung, Christopher ruft mir ein "zwei Minuten auf Anja" zu. Er ist also voll bei der Sache! Mit einer frischen Flasche Wasser geht es auf die erneute Runde. Und die wird noch einsamer. Mich überholt so gut wie gar keiner mehr. Allerdings rollt es immer noch nicht so wirklich, oder eben mal besser, mal schlechter. Aber im Durchschnitt alles gleichbleibend.
Gerade philosophiere ich über die Leere auf der Strecke, da überholt mich einer. Und noch einer. Und noch einer. Ah, irgendwie trifft man immer jemanden, der das mit dem Windschatten nicht so ernst nimmt. Und noch einer. Und noch einer. Und noch einer. Oh, gibts eine Gegenveranstaltung im Teamzeitfahren? Und noch einer. Und noch einer. Und eine Frau. Und noch einer. Und … naja irgendwas zwischen zehn und fünfzehn Leute. Da ich das Geschehen nur ein paar Sekunden direkt beobachten kann, möchte ich hier nicht urteilen, wer und wie da die restlichen 20 Kilometer in der Gruppe blieb. Auf jeden Fall ist verdächtig, dass etwa 15 Prozent der Teilnehmer innerhalb von zwei Minuten in der Wechselzone ankommen und das bei soviel Einsamkeit auf der Strecke!
Für mich ist es total unverständlich, da mitzufahren. Wäre Windschatten beim Triathlon erlaubt, hätte ich schon längst einen anderen Sport gewählt. Ich nehme mir doch selber jede Chance, irgendwie ein Rennen zu vergleichen oder mal eine persönliche Bestzeit aufzustellen. Die Gruppe habe ich noch im Blick, als mich ein weiterer Athlet laut schimpfend über dieses Verhalten überholt.
Ich widme mich weiter meinem Mal besser Mal schlechter Motto, mit dem ich mich mittlerweile angefreundet habe. Gegen Ende überholt mich mit ein paar motivierenden Worten noch Jörg. Noch auf dem Rad geht es an ein paar Läufern auf der olympischen Distanz vorbei. Gerade passend kann ich Merle anfeuern, die gleichgesinnt zurückruft.
Aus den Radschuhen komme ich schneller raus als rein, und auch sonst klappt der Wechsel wie am Schnürchen. Nach ein paar schweren Schritten komme ich sofort in ein angenehmes Lauftempo, am Horizont sehe ich Jörg laufen. Die Temperaturen sind deutlich angenehmer als in den letzten Jahren und hinter dem See wurden ein paar Sandpassagen mit groben Steinchen zugeschüttet. Es läuft sich auch nicht so angenehm, aber tausendmal besser als der Treibsand im letzten Jahr. Um mich herum vor allem Läufer auf der olympischen Distanz, die meisten ganz schön am Kämpfen. Respektvoll schaue ich schon auf die zweite Runde, aber jetzt gibt es auf der Asphaltstrecke zurück Richtung Wechselzone ein kleines Sisu-Treffen. Christopher steht zum Anfeuern mit einem "das sieht noch richtig locker aus" parat. Ich kommentiere das mit einem "es ist ja noch ein Stückchen". Kurz darauf habe ich Jörg ein, der das mit einem trockenen "Da ist sie" kommentiert. Dann kommt wortlos Oscar vorbeigeflogen. David findet später als Anfeuerer auch die richtigen Worte: "Das sieht richtig, richtig gut aus".
Am Zielbereich vorbei ist nicht so viel Stimmung wie in den letzten Jahren, aber von weitem höre ich Leute meinen Namen rufen. Gerade auf Runde zwei überhole ich Yvonne mit einem "jetzt anstrengen, um die Ecke steht Trainer Olaf". Sie hat noch Energie für einen kleinen, schockierenden Ausruf. Ich kläre den Scherz aber direkt auf. Für mich geht es im konstanten Tempo weiter. Zurück auf der Asphaltstrecke komme ich noch an Paula vorbei, um ihr etwas Kraft für die letzten Meter zu schenken. Christopher hat immer noch die gleiche Position. Er meint, etwas enttäuschend, dass die Zweitplatzierte drei Minuten vor mir ist. Ich habe zu diesem Zeitpunkt jegliche Platzierung völlig ausgeblendet. Für mich steht nur auf dem Plan, das Lauftempo gleichmäßig durchzulaufen, was dann hieße, die fünf Stundenmarke zu knacken. Die letzten zwei Laufrunden lassen sich kurz beschreiben: kaum noch jemand unterwegs, Tempo kann gehalten werden, zwischendurch kurze Panik, die fünf Stunden zu verpassen und dann aber doch locker dadrunter ins Ziel kommen.
Ich werde herzlich von ein paar Sisus empfangen und tanke erstmal ein bisschen Flüssigkeit nach. Ich gratuliere Anja und Ada zu ihrer Platzierung und wir plaudern kurz über unsere Erlebnisse. Dann entdecke ich Jörg erschöpft auf der Bank im Zielbereich sitzen. Ich bringe ihm einen erlösenden Becher Wasser. Schön, wie sehr er sich darüber freut. Bis zur Siegerehrung sind noch ein paar Minuten Zeit, also gehe ich schnell zum Auschecken, um alles schon mal Auto zu verstauen und die Duschsachen zu holen. Ein Helfer sieht mich da und ermahnt mich panisch "Aber Du musst doch noch zur Siegerehrung bleiben!". Aber natürlich nehme ich den kleinen niedlichen Pokal und das Handtuch mit nach Hause.
Durch mein Fast-Checkout geht es dann entspannt zum Duschen und noch etwas am Strand rumliegen. Ein drohendes Gewitter und die Schließzeit der Eisdiele in Lübben lassen uns aufbrechen. Das Gewitter zieht vorbei, und Eis ist für uns noch übrig. Mitteldistanzler müssen mindestens drei Kugeln nehmen – die letzte Herausforderung des Tages!